Kleve Stechbahn: Wo die Ritter zustachen

Kleve · Die Stechbahn war einst die Turnierbahn der Klever Grafen. Ritter rasten dort zu Pferde mit einer Lanze aufeinander zu und versuchten, sich aus dem Sattel zu stoßen. Die Zuschauer applaudierten und huldigten dem Sieger.

Das Visier heruntergeklappt, die Rüstung pechschwarz — hoch auf seinen prächtigen Streitross reitet Ritter Philipp auf seinen Gegner zu. Kurz vor dem Aufeinandertreffen lässt er die Lanze herab. Das Publikum, das sich zahlreich an den Hängen der Klever Stechbahn versammelt hat, hält den Atem an. Die Spitze von Philipps Lanze trifft mitten auf den Brustharnisch seines Gegners. Der fällt zu Boden. Das Publikum tobt und feiert Ritter Philipp. Diese Szene könnte sich im 15. Jahrhundert auf der alten Turnierbahn der klevischen Grafen abgespielt haben.

1413 erstmals erwähnt

Die Stechbahn wurde laut dem Klever Stadthistoriker Friedrich Gorissen erstmalig im Jahr 1413 erwähnt. Somit dürfte sie einer der ältesten Straßen des Klever Stadtzentrums sein. Das Gelände, so schreibt Gorissen, sei für die Ritterspiele wie geschaffen: "In unmittelbarer Nähe der Burg, von der man einen herrlichen Blick über die ganze Bahn hat, ein hinlänglich langer und breiter, ebener Platz, allseitig von mehr oder weniger steilen Hängen umgeben, die die Anlage von Rängen für die Zuschauer gestatten. Das Ganze überragt von der alten Stadtmauer auf der Höhe des Heideberges."

Die eigentliche Turnierbahn sei rund 200 Meter lang und etwa 75 Meter breit gewesen. Eine Rampe und eine Treppenanlage an der Seite des Grünen Heideberges wiesen darauf hin, dass dort früher einmal Zuschauerränge gewesen sind.

Als mit der Ummauerung des Hagschen Viertels begonnen wurde, verlegte man das alte Turniergelände zur so genannten Reitbahn zwischen der unteren Lindenallee und dem Mausgarten und auf der Stechbahn wurden Häuser errichtet. Von denen brannten die meisten dann bei einem Stadtbrand im Jahr 1528 nieder. Nach dem Brand kam die Bebauung der Stechbahn nur langsam vom Fischmarkt her voran. Wie der ehemalige Stadtbaurat Hunscheidt schrieb, gab es Mitte des 17. Jahrhunderts noch "reichlich Platz, um unterhalb des Grünen Heidebergs ein Kapuzinerkloster mit Kirche, Friedhof, Wohnungen, Krankenhaus und den erforderlichen Nebengebäuden zu errichten". Die ersten Kapuziner kamen 1629 nach Kleve, erhielten aber erst 1649 vom Großen Kurfürst die Niederlassungsgenehmigung. Sogleich begannen sie mit dem Klosterbau an der Stechbahn. 1802 wurde das Kloster unter französischer Herrschaft aufgehoben. Und wieder trabten Pferde auf der Stechbahn: Laut Hunscheidt nutzte die französische Gendarmerie das Objekt als Reitschule, andere Teile — insbesondere der oberen Terrasse zum Grünen Heideberg hin — wurden an Private verkauft.

(RP)
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