Erstmals online Kleves kleines Neujahrskonzert

Kleve · Das Neujahrskonzert in der Willibrord-Kirche in Kellen musste dieses Jahr ohne Publikum stattfinden. Ausgefallen ist es aber trotzdem nicht: In vier Videos kann man Anna Hendriksen (Querflöte) und Michael Behrendt (Orgel) zusehen.

 Die Sitzbänke in St. Willibrord blieben dieses Jahr leer.

Die Sitzbänke in St. Willibrord blieben dieses Jahr leer.

Foto: Markus van Offern (mvo)

„Neujahrskonzert online“ titelt schlicht die Verlinkung auf der Webseite der St. Willibrordkirche Kellen zu vier Aufnahmen, die es ohne Corona „live“ gegeben hätte. Vier Stücke, die Anna Hendriksen (Querflöte) und Michael Behrendt (Orgel) ausgewählt haben, um ihren Zuhörer wie jedes Jahr einen guten Start zum Jahreswechsel zu bescheren und den Faden ihrer traditionellen Neujahrsaufführung nicht abreißen zu lassen; und die in der Tat viel mehr transportieren, als man bei YouTube-Videos zunächst vermuten mag.

So gibt es keine Moderation, kein Programmblatt, keine schicke Konzertkleidung, keine Begrüßung und keine Zugabe. Und natürlich auch kein Publikum, keinen Applaus, keine Gespräche vor und nach der Aufführung. Aber jedes Stück für sich wirkt mit einer eigenen Strahlkraft, die die beiden Musikern wunderbar eingefangen haben – auch die Online-Versionen transportieren sehr viel von der musikalischen Persönlichkeit, der Stimmung und auch der hohen Qualität der Ausführung (Link in der Info-Box).

Mit Kamera und Mikrofon, die den Fokus auf die beiden Ausführenden richten und in einer passenden Abmischung Gabriel Faurés Berceuse op. 16, den 1. Satz aus Georg Philipp Telemanns Concerto h-Moll, Albert Roussels „Tityre“ aus op. 27 und Ennio Morricones „Gabriels Oboe“ aus „The Mission“ präsentieren. Keine Kamerabewegung, nur Fokus auf Instrumente, Musiker, Klang und Wirkung; mit einem Hall aus der Akustik der Kirche, der da sein darf, mit blitzsauberer Intonation und abgestimmtem Timing. Anna Hendriksen und Michael Behrendt können sich musikalisch aufeinander verlassen – da macht auch der große Abstand von Flöte zu Orgel nichts.

Alle Stücke zeugen von der Auseinandersetzung mit dem Charakter der Musik: Gabriels Oboe klangschön, wirklich zu Herzen gehend, transportiert Emotionalität; der Telemann erklingt virtuos und spielfreudig, ebenso „Tityre“: die schnellen, prickelnden Sprünge der Flöte verbinden sich darin mit den quasi hingetupften Akkorden der Orgel zu einem Perpetuum mobile von kaum einer Minute Dauer. Faurés Berceuse op. 16 ist als bezaubernde Miniatur zu hören, deren Sanglichkeit Hendriksen schön auslebt.

Die 20 Minuten Musik in vier „Portionen“ ist klug gewählt: Das überfordert auch ungeübte Digitalhörer nicht, gibt aber genug mit, um wirklich das Gefühl zu haben, ein kleines Konzert gehört und erlebt zu haben. Der Blick in die Kirche und auf die ausführenden Musiker, die „ihrer“ Passion auch in diesen Zeiten folgen, gibt ein positives Grundgefühl mit, so dass man sagen kann: Anna Hendriksen und Michael Behrendt haben damit ihr Ziel erreicht und einen schönen Start in das Jahr 2021 unterstrichen.

Und mag es ein Nachteil sein, Konzerte derzeit nicht live erleben zu können, so ermöglichen es doch solche Aufnahmen, das Musikerleben ein Stück weit aufrecht zu erhalten – und vor allem, so oft hören zu können, wie man es möchte.

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