Fußball Warten auf den nächsten Grünkohl-Abend

Kleve · Rheinwacht Erfgen feiert am heutigen Samstag seinen 85. Geburtstag. Der Sportverein wurde 1929 in Huisberden gegründet.

 Rheinwacht Erfgen heute und damals: Die aktuelle Elf von Trainer Norman Lousée (links) steht der Mannschaft von 1938 gegenüber. Das damalige Platzhaus war eine alte Eisenbahnbaracke aus Kleve.

Rheinwacht Erfgen heute und damals: Die aktuelle Elf von Trainer Norman Lousée (links) steht der Mannschaft von 1938 gegenüber. Das damalige Platzhaus war eine alte Eisenbahnbaracke aus Kleve.

Foto: Gottfried Evers (l.), privat

Die Frage stellt jeder Fußballer unweigerlich, wenn er zum ersten Mal die Rheinwacht als Gegner hat: Wo liegt Erfgen? Die Antwort ist streng genommen: Irgendwo im Nirgendwo. Zwischen Huisberden, Qualburg, Hasselt und Till-Moyland leben etwa 50 Menschen auf dem Flecken, der sich Erfgen nennt - und den man gar nicht finden würde, gäbe es den Sportplatz und die untrennbar damit verbundende Gaststätte "Zum Erfgen" nicht.

 Im Nirgendwo und doch voller Leben: Auf der Platzanlage von Rheinwacht Erfgen treten elf Mannschaften gegen den Ball.

Im Nirgendwo und doch voller Leben: Auf der Platzanlage von Rheinwacht Erfgen treten elf Mannschaften gegen den Ball.

Foto: buer

Den Weg zum Sportplatz kennt heute jedes Navigationsgerät: Sommerlandstraße 95, 47551 Bedburg-Hau. Früher war das mit der Reise zum Erfgen anders. Nachholspieltage waren für fremde Gäste tückisch: Wäre das Flutlicht nicht schon eingeschaltet gewesen, wäre der Auswärtige unvermittelt in Kellen gelandet. Kein Ortschild sagt, wo Erfgen liegt.

 Das heutige Platzhaus an der Sommerlandstraße.

Das heutige Platzhaus an der Sommerlandstraße.

Foto: buer

Umso deutlicher prangt der Name des Vereins im Klinker des Platzhauses. Rheinwacht Erfgen trägt ihn mit Stolz. Der, gemessen am Verhältnis von Mitgliederzahl zu Einwohnern "größte Verein Deutschlands", wie ihn der 1. Vorsitzende Theo Vermaasen mit einem Lachen nennt, darf zurecht stolz auf sich sein. Nicht nur, weil der Klub trotz seiner abgeschiedenen Lage um die 300 Mitglieder und elf aktive Fußball-Mannschaften aufweist. Auch, weil man mit Luisa Wensing eine Nationalspielerin, Europapokalsiegerin und Deutsche Meisterin hervorgebracht hat. Und man ist auf Erfgen auch Stolz darauf, dass es in jüngster Vergangenheit auch sportliche Erfolge gab. Und noch ein Faktum feiert Theo Vermaasen als Erfolg: "Rund 40 Jahre lang haben wir drei Seniorenmannschaften gestellt. Das schafft längst nicht jeder Verein unserer Größe."

 Jubel beim Aufstieg in die Bezirksliga 2012.

Jubel beim Aufstieg in die Bezirksliga 2012.

Foto: Evers

2012 feierte die 1. Mannschaft den Durchmarsch von der Kreisliga B in die Bezirksliga, 2013 feierte die 2. Mannschaft die Meisterschaft in der Kreisliga C und spielte somit für ein Jahr Kreisliga B. Zur neuen Spielzeit 2014/15, ausgerechnet im Jubiläumsjahr, gab es eine Talfahrt. Weil die 1. Mannschaft wegen vieler Abgänge nicht in der Kreisliga A antreten kann, wird ab August nur im Ligabetrieb der untersten Spielklasse, der Kreisliga C, gekickt. Norman Lousée, Trainer der 1. Mannschaft, nimmt es kämpferisch: "Wir werden alles dafür tun, dass wir schnell wieder nach oben kommen."

Dann wird gegenüber der Platzanlage hoffentlich wieder gefeiert. Untrennbar mit der Vereinsgeschichte verbunden ist der Name der Familie Biermann und ihrer Gaststätte "Zum Erfgen" die auf der anderen Seite der Sommerlandstraße liegt. Richard Biermann, Inhaber der Gaststätte und damit Vereinswirt der Rheinwacht, spendiert den Aufstiegsmannschaften in der Regel einen "freien Abend". Die 2. Mannschaft feierte ihren Titel in der Kreisliga C im Herbst 2013 mit Freibier und Grünkohl. Somit ist wohl nirgendwo sonst die Verbindung von Sportverein und Vereinslokal so eng miteinander verbunden wie bei der Rheinwacht. Theo Vermaasen, 1. Vorsitzender: "Ein Getränkeausschank, wie ihn die meisten Vereine heute an ihren Plätzen bieten, käme für uns gar nicht in Frage." Vermaasen ergänzt: "Groß gefeiert wie nie am Platz, sondern gegenüber bei Biermanns. Denn hätten wir kein Vereinslokal, gäbe es den Verein nicht."

Vereinswirt Richard Biermann ist der Enkel von Johann Biermann, der als letzes Gründungsmitglied der Rheinwacht 1999 verstarb und der 1930 auf seinem Grund am Erfgen dem Verein einen Sportplatz baute. Damals hieß der Verein noch DJK Rheinwacht Huisberden, mit Bezug auf den Gründungsort des Vereins, der Volksschule Huisberden.

1933 wurden die DJK-Vereine aufgelöst, der Verein nannte sich in SV Rheinwacht Erfgen um. 1934 wurde eine Eisenbahnbaracke aus Kleve zum Platzhaus umgebaut. In der Nachkriegszeit diente sie als Notunterkunft für Obdachlose, 1961, mit Errichtung des neuen Platzhauses, war die Baracke endgültig Geschichte. Mehrmals haben die Vereinsmitglieder ihr Klubhaus auf dem Gelände erweitert, dass der Verein von der Familie Biermann gepachtet hat.

Aufgrund seiner Lage hat der Verein einen Vorteil, der ihm in den Augen vom 1. Vorsitzenden wohl auch einen Mitgliederzulauf beschert: "Wir sind nicht nur Teil eines Dorflebens, sondern mehrerer", sagt Theo Vermaasen. Somit darf fest damit gerechnet werden, dass nicht nur dieses Jubiläum von den rund 50 Einwohnern vom Erfgen gefeiert wird, sondern auch von den Menschen "von drumherum" aus Huisberden, Qualburg, Hasselt und Till-Moyland. Mit den Bambinis geht die Geburtstagsfeier heute los.

(buer)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort