Fußball Das Traumlos ist kein Traumlos mehr

Analyse | Kreis Kleve · Dass kleine Vereine vor beachtlicher Kulisse im eigenen Stadion gegen einen Gegner mit großem Namen spielen, sollte ein Anreiz im Niederrheinpokal sein. Der wird den Kleinen, wie das Beispiel Viktoria Goch zeigt, immer öfter genommen – ein bedenklicher Trend.

 Viktoria Goch muss im Niederrheinpokal beim Wuppertaler SV spielen, weil der Klub die Auflagen für eine Heimpartie nicht erfüllen konnte.

Viktoria Goch muss im Niederrheinpokal beim Wuppertaler SV spielen, weil der Klub die Auflagen für eine Heimpartie nicht erfüllen konnte.

Foto: Klaus-Dieter Stade (kds)

Der SV Vrasselt hat in dieser Saison auf die Teilnahme im Fußball-Kreispokal verzichtet. Der Bezirksligist ist mit seiner Entscheidung sicherlich die Ausnahme von der Regel. Doch die Begründung, die der Vrasselter Trainer Sascha Brouwer, der viele Jahre auch für den 1. FC Kleve aufgelaufen ist, dafür anführte, dass seine Mannschaft beim Wettbewerb nicht dabei sein würde, spricht Bände. Und sollte den Fußball-Verband Niederrhein aufhorchen lassen.

„Der Kreispokal und die damit verbundenen Aussichten auf einen Start im Niederrheinpokal werden immer unattraktiver. Als kleiner Verein kann man gegen die großen Namen im Niederrheinpokal bei den ganzen Auflagen sowieso nicht mehr zu Hause spielen. Und mittwochs nach Wuppertal zu fahren, um dort zehn Tore zu kassieren, brauchen wir auch nicht“, sagte Brouwer.

Viktoria Goch wird genau das jetzt tun, was Brouwer offenkundig nicht will. Wobei noch dahingestellt ist, ob der Bezirksligist wirklich zehn Tore kassieren wird, wenn er am Mittwoch, 17. November, 19 Uhr, in der dritten Runde des Niederrheinpokals im Stadion am Zoo beim Titelverteidiger und Regionalligisten Wuppertaler SV antritt. Doch Fakt ist, dass die Viktoria sich nicht in der Lage sah, die Auflagen zu erfüllen, die ihr von den Behörden gestellt wurden, damit die Partie gegen den ehemaligen Bundesligisten im Gocher Hubert-Houben-Stadion hätte angepfiffen werden können.

Kurz gesagt: Die Sache hätte sich für den Klub nicht gerechnet. Denn er konnte nicht davon ausgehen, dass so viele Zuschauer kommen würden, dass er bei der Partie nicht finanziell zubuttern muss. Deshalb musste er die Entscheidung treffen, auf das Heimrecht zu verzichten.

Für die Viktoria wird es jetzt sicherlich kein Thema sein, wie der SV Vrasselt auf den Start im Kreispokal zu verzichten, weil der Einzug in den Wettbewerb auf Niederrheinebene kein attraktives Ziel ist. Trotzdem ist die Entwicklung bedenklich. Der Pokalwettbewerb lebt nun einmal auch von den Duellen der Kleinen gegen die Großen, davon, dass etwa ein Bezirksligist einmal einen Gegner mit großem Namen zu Gast hat. Und diese Begegnungen sind für die kleineren Klubs schließlich auch die Chance, einmal ein paar Euro zu verdienen, was in Zeiten der Pandemie zusätzlich wertvoll ist. Die Viktoria hat sie nicht. Sie muss nach Wuppertal fahren und hofft, dass sie keine zehn Tore kassiert.

Ärgerlich ist das vor allem für die Fans des Klubs, der von 1982 bis 1987 in der höchsten Amateurklasse aufgelaufen ist. Ihnen wird die Chance genommen, einmal ein attraktives Spiel abseits des Bezirksliga-Alltags im eigenen Stadion verfolgen zu können. Und das, weil die Partie als Risikospiel eingestuft wurde, da unter den Wuppertaler Anhängern gewaltbereite Fans sein sollen. Ob diese wirklich auch ins Hubert-Houben-Stadion gekommen wären, steht auf einem anderen Blatt. Die Frage interessiert nicht.

Die Gocher Fußball-Fans müssen jetzt also nach Wuppertal fahren, wenn sie ihre Viktoria unterstützen wollen. Sie werden somit, wenn man es genau nimmt, dafür bestraft, dass der Gegner irgendwelche Personen in seiner Anhängerschaft haben soll, die sich nicht benehmen können. So läuft die Fußball-Welt im Jahr 2021.

Natürlich hätte die Viktoria, wie es andere Klubs tun, auch alles versuchen können, dass in Goch gespielt werden kann – in der Hoffnung, dass eventuell doch genug Zuschauer kommen, damit das Spiel kein Zuschussgeschäft wird. Oder sich ein Ausweich-Quartier suchen können, wie es die SGE Bedburg-Hau getan hat, die zur Partie gegen den KFC Uerdingen, auch ein Risikospiel, im Stadion des 1. FC Kleve aufgelaufen ist. Doch Sinn der Sache ist das nicht, zumal der Umzug an den Bresserberg die SGE enorm gefordert hat. „Die Belastung war für einen ehrenamtlichen Verein grenzwertig“, sagte Björn Mende, Vorsitzender des Landesligisten.

All das trägt dazu bei, dass die Kluft im Fußball stetig größer wird, wobei die Grenzen längst nicht mehr nur zwischen Profis und Amateuren verlaufen. Deshalb muss der Verband überlegen, wie er es schaffen kann, dass ein kleiner Verein sich künftig wirklich freuen kann, wenn er ein Heimspiel gegen Wuppertal oder Uerdingen erwischt. Und wenn es das letzte Mittel ist, keine Fans des Klubs zuzulassen, der dafür sorgt, dass eine Begegnung überhaupt erst als Risikospiel eingestuft werden muss. Denn ein Traumlos darf nicht zum großen Ärgernis werden.

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