Leichtathletik Eine Koryphäe über die Kurzstrecke

Goch · Viktoria Gochs Silke Flören ist ein Aushängeschild der hiesigen Leichtathletik. Auf die Szene im Kreis Kleve blickt sie jedoch mit Sorge.

 Viktoria Gochs Silke Floeren blickt im Hubert-Houben-Stadion auf eine solide Leichtathletik-Freiluftsaison zurück.

Viktoria Gochs Silke Floeren blickt im Hubert-Houben-Stadion auf eine solide Leichtathletik-Freiluftsaison zurück.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Wer Silke Flören dieser Tage im Hubert-Houben-Stadion begegnet, der trifft auf eine gelöste Sportlerin. Die diesjährige Leichtathletik-Freilufttsaison ist vorüber, die 39-Jährige sagt: „Ich lasse nun erst einmal die Seele baumeln.“ Die Gocherin ist schon seit vielen Jahren das Aushängeschild der Kreis Klever Leichtathletik. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Seit 2009 nimmt Flören kontinuierlich in ihren Spezialdisziplinen des 200-, 400- und 800-Meter-Laufs an den Deutschen Seniorenmeisterschaften teil. Dort scheint sie ein Abo auf eine Treppchenplatzierung zu haben. Insgesamt acht Siegertitel räumte sie bereits ab, dazu kommen zahlreiche Vizemeisterschaften und dritte Plätze. Für Flören ist das dennoch kein Grund, Bescheidenheit abzulegen: „Ob ich in der Region hervorsteche, weiß ich nicht. Was ich weiß: Leichtathletik macht mir nach all den Jahren noch immer große Freude und ist die perfekte Ablenkung zum Alltag.“ Beruflich ist sie in einer Rechtsanwalts-Kanzlei beschäftigt.

Schon seit 1986 ist die Gocherin ihrer Sportart treu. Die Laufbahn begann bei der Viktoria, an der Marienwasserstraße war ihr erster Wettbewerb ein Dreikampf - bestehend aus 50 Metern Sprint, dem Weitsprung sowie dem Ballwurf. „Vielleicht ist schon damals meine Leidenschaft entfacht worden“, sagt sie. Bereits früh galt Flören als eines der größten Talente am unteren Niederrhein, 1989 lief sie über die 800 Meter 2,44 Minuten – und stellte damit einen neuen Kreisrekord in der Altersklasse W10 auf. Es folgte ein Wechsel zur Konkurrenz des Kevelaerer SV, in deren Trikot Flören erstmalig an den Deutschen Jugendmeisterschaften in Erfurt teilnahm. „Schon als Jugendliche war mein Ehrgeiz ziemlich groß. Wenn ich an den Start ging, wollte ich gewinnen. Es macht unseren Sport aus, dass man nur für seine eigene Leistung verantwortlich ist und wenn, dann mit sich selbst hart ins Gericht gehen muss“, sagt Flören. Und dennoch legte sie ab 1997 eine sportliche Pause ein. Die Leichtathletik entfachte das unbedingte Feuer in ihr zwischenzeitlich nicht mehr.

Unter Übungsleiter Karl van Koll dann kehrte sie 2007 aber doch zur Gocher Viktoria zurück. Mit Erfolg: „Das war ein echter Neubeginn für mich. Es war ganz erstaunlich, dass ich gleich an die alten Zeiten anknüpfen konnte“, sagt Flören. Zwei Jahre später folgte die erste Teilnahme an den Deutschen Meisterschaften. Seitdem gehört die Weberstädterin konstant zu den besten Athletinnen des Landes (siehe Infokasten). Ihre persönliche Bestzeit lief sie im Juni 2010, als sie mit einer Zeit von 58,92 Sekunden Zweite über die 400 Meter wurde. Im gleichen Jahr gelang ihr auch ein persönlicher Rekord über die 200 Meter: 26,39 Sekunden.

Flören, seit jeher über die Kurzstrecke aktiv, orientierte sich zunehmend auch in Richtung der 800 Meter. „Ich sage ganz ehrlich: Über die 800 Meter wollte ich eigentlich nie starten. Das war mir zu lang“, sagt sie. Doch auch über die Distanz ist sie mittlerweile veritabeles Mitglied der deutschen Leichtathletik-Elite. Zu einer Weltmeisterschaft zog es sie bisher noch nicht. Es reiche, sich in der Gruppe Deutschlands Bester zu wähnen, sagt sie. Kategorisch ausgeschlossen aber sei eine Teilnahme für sie nicht. „Vielleicht verbinde ich die WM in Toronto im nächsten Jahr mit einem sportlichen Kurzurlaub“, erklärt sie. Aber nur dann, wenn sie das Gefühl habe, in Bestform auflaufen zu können. „Ohnehin finde ich die Systematik, dass man sich für die „Deutschen“ qualifizieren muss, sich aber jeder für die Weltmeisterschaft anmelden kann, merkwürdig“, kritisiert Flören.

 Bei den Seniorenmeisterschaften wurde Flören zuletzt Vierte über 400 Meter.

Bei den Seniorenmeisterschaften wurde Flören zuletzt Vierte über 400 Meter.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Die Kurzstrecklerin ist ein Vorbild für die hiesigen Nachwuchssportler. Oder besser gesagt: Das könnte sie sein, wenn es denn Leichtathletik-Jugend gebe. An ihr fehlt es seit Jahren im Kreis. „Früher war in den Vereinen und bei den Kreismeisterschaften richtig was los. Da hat sich einiges verändert. Heute gibt es nicht nur immer weniger Kinder und Jugendliche in den Abteilungen. Es gibt auch immer weniger Kinder, die bereit sind, Leichtathletik wettkampforientiert zu betreiben“, sagt sie. Für Flören sei das völlig unverständlich, immerhin trainiere man doch für das Messen mit anderen. Diesen Geist versuche sie auch als Übungsleiterin weiterzugeben. Schließlich müsse man seine sportliche Grenzen kennenlernen. Doch mit den neuen Medien und der großen Konkurrenz auf dem Freizeitmarkt sei es herausfordernder geworden, junge Menschen nachhaltig zum Leistungssport zu motivieren. Es handele sich um einen Mentalitätswandel beim Nachwuchs, auf die die hiesigen Vereine noch nicht die richtigen Antworten gefunden hätten. Allerdings gebe es auch mutmachende Ausnahmen: So trainiert eine Gruppe Jugendlicher bei der Viktoria äußerst ambitioniert unter Trainer Dirk Kopp. Auch Jule Gipmann ist darunter, die zuletzt an den Deutschen Jugendmeisterschaften im Diskuswurf teilnahm. Sie landete auf dem sechsten Platz. „Vielleicht tritt sie ein wenig in meine Fußstapfen“, sagt Flören. Eines steht außer Frage: Sollte Gipmann das gelingen, braucht sie einen langen Atem. Flören nämlich prägt die Sportart seit drei Jahrzehnten nachdrücklich.

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