Lokalsport Vier Jahrzehnte Leidenschaft Lokalsport

Kleve · Helmut Vehreschild arbeitet seit 40 Jahren in der RP-Redaktion in Kleve. Zudem war er Ziehvater vieler heutiger Journalismus-Größen.

 RP-Sportredakteur Helmut Vehreschild an seinem Arbeitsplatz bei der Rheinischen Post in Kleve.

RP-Sportredakteur Helmut Vehreschild an seinem Arbeitsplatz bei der Rheinischen Post in Kleve.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Wer Helmut Vehreschild beim Gang in das Stadion am Bresserberg folgt, versteht, was es bedeutet, in der Schwanenstadt Lokalsportredakteur zu sein. Kaum einen Meter kann der 61-Jährige gehen, ohne ins Gespräch verwickelt zu werden. Jeder kennt Helmut, Helmut kennt jeden. Themen hat der Kellener genügend auf dem Herzen: die glorreichen Zeiten des Sportclub Kleve, der 1. FC Kleve der Gegenwart, die ernüchternde Lage der hiesigen Tischtennisszene. „Sportredakteur bin ich bis heute mit großer Leidenschaft“, sagt Vehreschild. Am Sonntag feiert er ein ganz besonderes Jubiläum: Dann ist er seit vier Jahrzehnten Redakteur der Klever Lokalredaktion der Rheinischen Post.

Seine ersten journalistischen Schritte ging Vehreschild als 15-Jähriger. „Damals stand ich immer mit einigen Jungs beim Sportclub Kleve auf der Tribüne. Irgendwann fragte mich der Sportredakteur Herbert Baumann, ob ich nicht bei ihm in der Redaktion mitarbeiten wolle“, sagt Vehreschild. Sofort sagte er zu, künftig zeichnete er für die Sportergebnisse verantwortlich. Eine Aufgabe, die mittlerweile vom Internet ausgefüllt wird. „Ich rief damals in den Vereinsheimen an und notierte die Ergebnisse. Und zwar alle: von Viktoria Goch bis Kellen II. Damals warteten die Leute noch vor unserer Redaktion, bis wir diese in die Fenster gehängt hatten. Eine Stunde nach Abpfiff war ich meistens fertig“, sagt Vehreschild weiter. Er erlebte jene Zeiten, in denen noch auf Schreibmaschinen „gehämmert“, die Texte zu einer Ausgabe geklebt und das fertige Produkt per Taxi zur Druckerei gefahren wurde. Sein Verdienst damals: 100 D-Mark pro Monat. In den Monaten darauf erhielt er immer neue Aufgaben. Und das, obwohl er noch Schüler des Klever Freiherr-vom-Stein-Gymnasiums war. „Damals war ich wohl öfter in der Redaktion als in der Schule“, sagt er. Schließlich habe er schon früh gewusst, was er werden wolle: Klever Lokalsportredakteur. Am 1. September 1979 war es soweit. Seitdem ist Helmut Vehreschild Redakteur der Rheinischen Post. „Ich habe nie wirklich daran gedacht, anderswo hinzugehen. Dafür bin ich einfach viel zu sehr mit der RP und der Stadt Kleve verbunden“, erklärt er.

 Helmut Vehreschild und Markus Verbeet.

Helmut Vehreschild und Markus Verbeet.

Foto: Helmut Vehreschild

Gerne blickt er nun auf die vergangenen vier Jahrzehnte zurück. Wenn Vehreschild über die prägendsten Augenblicke des sportlichen Lokaljournalismus sinniert, gerät er ins Schwärmen. Besonders ist ihm die Entlassung des ehemaligen FC-Trainers Arie van Lent in Erinnerung geblieben. Der Deutsch-Niederländer hatte die Rot-Blauen 2008 in die Regionalliga geführt. Dort angekommen aber herrschte sportliche Tristesse. So kam es, wie es im Fußball-Geschäft kommen muss: van Lent wurde im Nachgang der 1:2-Niederlage gegen die Sportfreunde Lotte geschasst. Das Pikante: Schon in der 75. Minute hatte der Vorstand getagt und den Entschluss gefasst – unabhängig vom Ausgang der Begegnung. Als einer der Ersten wusste Vehreschild Bescheid: „Während Arie van Lent noch an der Seitenlinie stand, wusste ich bereits, dass es seine letzten Minuten sein würden. Das war unglaublich damals“, sagt er.

Weitere Höhepunkte seiner 40-jährigen Laufbahn: das Freundschaftsspiel des FC Barcelona gegen den SC Kleve 1982, die Insolvenz des 1. FC Kleve, die Deutsche Meisterschaft der Tischtennis-Frauen von WRW Kleve. „Die Zeit war wahnsinnig emotional. Der Lokalsport ist immer ein ganz wichtiger Teil meines Lebens gewesen“, sagt Vehreschild. Doch auch in der lokalpolitischen Berichterstattung machte er sich einen Namen. Der Grund: 25 Jahre begleitete er für die RP das Treiben in der Gemeinde Uedem: „Ich kannte damals alles und jeden. Was auch im Rat entschieden wurde, ich wusste Bescheid“, sagt er rückblickend. Auch wusste er als Erster, wie es im Jahr 2001 für die Klever van-den-Bergh-Margarine-Werke weitergehen würde. Das Nestlé-Imperium hatte sich zuvor aus dem Standort zurückgezogen, den Beschäftigten drohte das Aus. Doch Bernd Zevens kaufte und rettete das Areal. Vehreschild wusste Bescheid: „Damals haben die Mitarbeiter am Morgen aus der Zeitung erfahren, dass ihre Jobs sicher sind. In einer solchen Situation wird klar, wie wichtig die lokale Berichterstattung ist.“ Doch auch abseits der Redaktion ging es für ihn bunt zu: In der DJK-Sportfamilie bekleidet er seit vielen Jahren unzählige Ämter, zudem war Vehreschild 2015 Karnevalsprinz, Helmut „der Sportliche”. Und das, obwohl ihn acht Monate zuvor ein folgenschwerer Schicksalsschlag ereilt. Nach einer Hirnblutung im März 2015 liegt Vehreschild im Koma, sein Sprachvermögen hat erheblichen Schaden genommen. Doch er kämpft sich zurück, wird von den Klevern wenig später als Oberhaupt der Jecken gefeiert. „Meine Kollegen und insbesondere meine Familie haben mir damals viel Kraft gespendet“, sagt er. Allen voran: seine Frau Astrid, die Töchter Dana (28 Jahre) und Lea (16), die seit einigen Jahren in der nordrhein-westfälischen Tischtennisszene für Furore sorgt.

Ohnehin hat Vehreschild immer ein Näschen für Talente gehabt. „Ich habe jungen Menschen immer gerne eine Chance gegeben“, sagt er. Eine solche erhielt auch Markus Verbeet, heute Leiter der Deutschland-Ressorts beim SPIEGEL. Anne van Eickels hat heute eine der zentralen Stimmen der Bundesliga-Berichterstattung von WDR 2. „Helmut hat uns von Beginn an mit langer Leine ausprobieren lassen. Und dennoch hatte man immer das Gefühl, begleitet zu werden und von ihm Tipps zu bekommen“, sagt van Eickels. Vehreschild habe vermittelt, dass man auf Menschen zugehen, aufrichtig und immer wieder auch kritisch nachfragen müsse. Von 1992 bis 2003 war van Eickels für die RP-Lokalredaktion im Einsatz. „Das war eine ganz tolle Zeit. Helmut Vehreschild ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass ich mich für den Journalismus begeistert habe. Er hatte damals immer einen lockeren Spruch auf den Lippen, daher hat immer wieder auch mal einen Prittstift von mir entgegengeworfen bekommen“, sagt sie. Bis heute pflegt sie engen Kontakt zu Vehreschild.

„Der Lokalsport ist eine super Einstiegsmöglichkeit in den Journalismus“, sagt Vehreschild. Schließlich könne man sich austoben, bunte Geschichten finden, den Menschen hinter dem Sportler vorstellen. Eine Leidenschaft, die den 61-Jährigen nie losgelassen hat.

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