Keine Vorfreude auf die Fußball-WM „Das große Prickeln fehlt diesmal“

Niederrhein · Die Fußball-Trainer im Kreis Kleve fiebern dem Turnier in Katar nicht entgegen. Dafür gibt es einige Gründe. Zum Beispiel, dass ein prominenter Kicker der Region nicht dabei ist.

 Im Al Bayt-Stadion findet am Sonntag das Eröffnungsspiel der WM statt.

Im Al Bayt-Stadion findet am Sonntag das Eröffnungsspiel der WM statt.

Foto: dpa/Christian Charisius

Die schönste Nebensache der Welt ist nur noch ein einziges Milliarden-Geschäft. Spätestens seit der Vergabe der Weltmeisterschaft nach Katar besteht daran kein Zweifel mehr. Fußball-Romantiker werden den Wettbewerb auf ihre Weise boykottieren und die Fernbedienung höchstens nutzen, um die Tagesschau oder den Tatort einzuschalten. Im Vorfeld der Titelkämpfe ist einfach zu viel passiert, um sie als reines Sportereignis genießen zu können.

Es ist die Rede von mindestens 6.500 Arbeitsmigranten, die beim Bau der WM-Stadien in der Wüste ums Leben gekommen sind – die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher liegen. Unlängst bezeichnete der katarische WM-Botschafter und frühere Fußball-Nationalspieler Khalid Salman Homosexualität in einem ZDF-Interview als „geistigen Schaden“. Die FIFA hat den dänischen Nationalspielern verboten, Trainings-Shirts mit der Botschaft „Menschenrechte für alle“ zu tragen.

Vor diesem Hintergrund ist es nur eine Lappalie, dass hierzulande das beliebte Rudelgucken in Biergärten ins Wasser fällt, weil der Weltmeister erstmals nicht in der sonnigsten Zeit des Jahres ermittelt wird. Trotz allem: Spätestens, wenn am kommenden Mittwoch um 14 Uhr die Partie Deutschland gegen Japan angepfiffen wird, dürfte sich das WM-Fieber eventuell als erhöhte Temperatur bemerkbar machen. Und so sieht die Stimmungslage der Fußball-Trainer im Kreis Kleve aus:

„Es ist in diesem Jahr schon irgendwie alles anders. Ich bin ohnehin als Familienvater, Unternehmer und Trainer des SV Straelen voll ausgelastet. Vorfreude auf die WM empfinde ich noch nicht großartig. Aber ich bin nun einmal begeisterter Fußballer und kenne mich. Wenn erst einmal die wichtigen Spiele anstehen, werde ich mir sie auch anschauen. Und natürlich drücke ich Deutschland die Daumen“, sagt Bekim Kastrati, Coach des Regionalligisten.

 Sebastian Clarke (Sportfreunde Broekhuysen): „Es gibt null Vorfreude. Das Turnier kommt praktisch aus dem Nichts.“

Sebastian Clarke (Sportfreunde Broekhuysen): „Es gibt null Vorfreude. Das Turnier kommt praktisch aus dem Nichts.“

Foto: Norbert Prümen

Markus Müller, Trainer des Landesligisten TSV Wachtendonk-Wankum, gerät immer noch ins Schwärmen, sobald er an das „Sommermärchen“ 2006 denkt. „Damals war ich mit meiner Familie drei Wochen lang in Berlin. Das war ein unvergessliches Ereignis. Auch bei den Weltmeisterschaften in Südafrika und Brasilien herrschte eine tolle Atmosphäre. Diesmal hat die FIFA nicht gerade die glücklichste Entscheidung getroffen. Ich habe mir im Vorfeld einige Dokumentationen zur WM in Katar angeschaut. Das hat meine Vorfreude schon erheblich gedämpft. Dennoch werde ich in jedem Fall die Spiele des deutschen Teams verfolgen“, so Müller.

„Null Vorfreude“, umschreibt Sebastian Clarke, Trainer des Landesligisten Sportfreunde Broekhuysen, seine Gefühlslage. „Im Normalfall spielt sich eine Weltmeisterschaft in der Sommerpause ab. Diesmal kommt sie praktisch aus dem Nichts. Die wichtigen Spiele werde ich mir zwar angucken, aber mein Interesse ist wesentlich geringer als sonst“, sagt er. Der Sohn eines Engländers drückt wie immer den „Three Lions“ die Daumen. „Wenn es hart auf hart kommt, auch im Spiel gegen Deutschland.“

 Sebastian Kaul (SGE Bedburg-Hau): „Die Euphorie ist auch nicht so groß, weil Robin Gosens nicht dabei ist.“

Sebastian Kaul (SGE Bedburg-Hau): „Die Euphorie ist auch nicht so groß, weil Robin Gosens nicht dabei ist.“

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Sebastian Kaul, Coach des Landesligisten SGE Bedburg-Hau, hatte bei den vergangenen Weltmeisterschaften seinen Dienstplan so ausgerichtet, dass er möglichst viele Spiele verfolgen konnte. Diesmal hat er darauf verzichtet. „Die Euphorie ist nicht groß. Sie hat einen weiteren Dämpfer erhalten, als Robin Gosens, den ich privat kenne, nicht nominiert worden ist“, sagt Kaul. Die Diskussion, ob die WM in Katar hätte boykottiert werden sollen, hält er für richtig. „Aber sie kommt zu spät. Man hätte direkt nach der Vergabe des Turniers gegen die Seil- und Machenschaften bei der FIFA protestieren und zum Boykott aufrufen müssen“, sagt Kaul.

Bei Umut Akpinar, Coach des Oberligisten 1. FC Kleve, hat sich kurz vor dem Start des Turniers auch noch kein WM-Feeling eingestellt. „Ich verbinde eine Fußball-Weltmeisterschaft mit dem Sommer. Da freut man sich auch auf das Turnier, weil der Fußball schon einige Wochen Pause hatte. Jetzt stecken wir in der Oberliga selbst mitten in der Saison und haben deshalb weniger Zeit, die WM-Partien anzuschauen“, sagt er.

Auch Roland Kock, Trainer des Bezirksligisten RSV Praest, hält den Termin für denkbar ungünstig. „ich verbinde mit einer Weltmeisterschaft Public Viewing bei bestem Wetter oder gemeinsames Fußball-Schauen bei einem Grillabend. All das fehlt. Und deshalb gibt es auch keine große Vorfreude. Die Weltmeisterschaft wird für meine Begriffe so dahinplätschern“, sagt Kock.

Roland Kock (RSV Praest): „Die Weltmeisterschaft wird für meine Begriffe so dahinplätschern.“

Roland Kock (RSV Praest): „Die Weltmeisterschaft wird für meine Begriffe so dahinplätschern.“

Foto: Markus van Offern (mvo)

Thomas Geist will sich zwar so viele Spiele wie möglich anschauen. „Doch die große Vorfreude ist nicht da“, sagt der Coach des Landesligisten SV Hönnepel-Niedermörmter. Er hat die Hoffnung, dass sich die „teilnehmenden Teams klar positionieren und immer wieder auf die Menschenrechtsverletzungen und schlimmen Zustände der Arbeiter in Katar aufmerksam machen“.

Bei Jürgen Krust, Trainer des A-Kreisligisten SV Veert, „fehlt das große Prickeln vor einer WM diesmal“. Das hat er auch bei Gesprächen mit Fußballern festgestellt. „Die Weltmeisterschaft ist da überhaupt kein Thema“, so Krust.

Daniel Beine (Viktoria Goch) sieht den Spielen in Katar mit „gemischten Gefühlen“ entgegen. „Einerseits schaue ich gerne Fußball und werde mir auch diesmal viele Partien ansehen. Andererseits finde ich es aufgrund der Menschenrechtssituation selbstverständlich bedenklich, dass das Turnier nach Katar vergeben worden ist. Mir fehlt auch das gewisse Flair, weil Katar keine große Fußball-Nation ist“, so Beine.

Bei Sascha Brouwer, Trainer des SV Vrasselt, war „die Begeisterung für dieses Turnier nie richtig da“. Er werde sich die deutschen Spiele zwar angucken. „Aber ich werde nicht so mitfiebern, wie das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Das wäre vielleicht anders gewesen, wenn Robin Gosens dabei gewesen wäre“, so Brouwer.

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