Lokalsport Kampfkunst und Lebensphilosophie

Kleve · Die Wing Tsun Kung Fu Schule Kleve unterrichtet Selbstverteidigung und Selbstbehauptung.

 Johannes Reißmüller und Pia Verhülsdonk beim Training.

Johannes Reißmüller und Pia Verhülsdonk beim Training.

Foto: G. Evers

Aufrecht und selbstbewusst steht Holger Heinen vor dem potenziellen Angreifer. Seine Hände hält er vor die Brust, die Handflächen zeigen vom Körper weg, bilden eine unsichtbare Grenze. Bis hierhin, und nicht weiter, signalisiert der 39-Jährige dem Aggressor. Selbstsicher, aber nicht herausfordernd — gleichzeitig bereit, dahin zu gehen, wo es weh tut, falls sein Gegenüber ihm keine Wahl lässt.

"In solche Situationen kann jeder geraten, der ein oder andere kennt das vielleicht aus der Kneipe", sagt er. Sein Gegenüber ist allerdings kein echter Kneipen-Raufbold, sondern die 21-jährige Pia Verhülsdonk. Sie ist eine Schülerin von Holger Heinen, der 2001 die Wing Tsun Kung Fu Schule an der Ackerstraße in Kleve gegründet hat. Rund 125 Mitglieder zählt die Schule mittlerweile, der jüngste Schüler ist fünf Jahre alt, der älteste weit über 50. "Beim Wing Tsun lernt man, sich selbst zu behaupten und notfalls auch zu verteidigen", erklärt Heinen. Wing Tsun Kung Fu (kurz: WT) ist eine chinesische Kampfkunst, die — neben der Steigerung von Fitness und Gesundheit — vor allem ein Ziel verfolgt: die Selbstbehauptung und Selbstverteidigung. Wettkampfsport ist WT nicht, trainiert wird für den Ernstfall.

"WT lehrt auch Techniken, die großen Schaden anrichten können. Das kann man nicht in einem Wettkampf praktizieren", erklärt Heinen. Pia Verhülsdonk ist seit gut zwei Monaten dabei, drei mal pro Woche trainiert die 21-Jährige in der Klever WT-Schule. "Mir macht es sehr viel Spaß. Man trainiert nicht nur den ganzen Körper, sondern gewinnt auch an Selbstsicherheit", sagt die Groß- und Außenhandelskauffrau, die auch für ihren Beruf Nutzen aus der Kampfkunst zieht: "Wir lernen hier auch, wie man die richtige Körperspannung erreicht und sich selbstsicher fühlt. Das hilft mir auch in Kundengesprächen", so Verhülsdonk.

Johannes Reißmüller (32) und Jürgen Held (55) trainieren schon seit vielen Jahren WT, haben bereits die sogenannten Technikergrade im Rangsystem der Kampfkunst erreicht. "Ich bin durch Zufall zum WT gekommen. Ich habe etwas gesucht, das Dynamik, Beweglichkeit und Koordination fördert", sagt Jürgen Held. Schon das Probetraining habe ihn fasziniert, seit zehn Jahren ist er nun dabei, bereitet sich gerade auf die Prüfung für den 3. Technikergrad vor. Der gelernte Kfz-Meister vergleicht WT mit einem Werkzeugkasten: "Das System ist genauso aufgebaut. Man bekommt für immer mehr Situationen Werkzeuge dazu, die man einsetzen kann", so Held. "WT ist sehr schnell, man arbeitet mit schnörkellosen Bewegungen. Es geht darum, Kämpfe in Sekundenbruchteilen zu beenden", sagt Johannes Reißmüller.

Verletzungen gebe es im Training jedoch kaum: "Die Techniken werden im Training nicht durchgezogen", sagt Reißmüller, dem der Sport als Sonderschullehrer, der mit schwer erziehbaren Jugendlichen arbeitet, eine große Sicherheit im Alltag gibt. Langweilig werde das Training auch nach mehreren Jahren nicht, sagt Reißmüller — im Gegenteil entdecke er immer mehr auch die lebensphilosophischen Aspekte der Kampfkunst. Der 11-jährige Jonas kam vor gut sechs Jahren durch seinen Vater zum WT, seitdem trainiert er einmal wöchentlich in der Schule von Holger Heinen. "Bei den Kindern legen wir viel Wert auf Selbstbehauptung und darauf, dass sie ihre Motorik weiterentwickeln", erklärt Heinen.

"Wir bringen den Kindern bei, aus der Opferrolle herauszukommen", so der Trainer. Rollenspiele helfen den Kindern dabei, für den Ernstfall zu trainieren. Trotz aller Begeisterung für seinen Sport — Wunder verspricht Holger Heinen keinem: "Man muss schon ein Jahr lang zweimal pro Woche trainieren, bis man sich ein solides Grundwissen erworben hat. 'Kung Fu' heißt auch harte Arbeit." Wen das nicht abschreckt, der kann ein Probetraining mit Holger Heinen (Tel. 0177 8221724, E-Mail: info@wt-kleve.de) vereinbaren: Trainiert wird mehrmals pro Woche in verschiedenen Gruppen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

(jehe)
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