Reitsport Eckermann reitet, als gebe es kein morgen

Kleve · Die Kranenburger Amazone lässt beim Weltfestival des Pferdesport in der Aachener Soers die internationale Konkurrenz hinter sich. Der 24-Jährigen gelang mit dem Sieg im Preis von Nordrhein-Westfalen ein grandioser Erfolg.

Sagenhaft, grandios, einfach phänomenal. Worte, die man mit Fug und Recht nach dem sensationellen Ritt der Kranenburgerin Katrin Eckermann am gestrigen Nachmittag im Stechen um den mit 130 000 Euro dotierten Preis von Nordrhein-Westfalen in der Aachener Soers wählen darf. Denn nach ihrem fehlerfreien Ritt im Normalumlauf musste die 24-jährige Amazone vom Niederrhein das Stechen eröffnen, für das sich 14 Reiter qualifiziert hatten.

Die Glocke ertönte für Eckermann. Die Anspannung wuchs. Couragiert nahm die Kranenburgerin den alles entscheidenden Parcours in Angriff. Eckermann war ganz bei sich und ihrem Pferd Carlson (Casco/Calvados) - jenem Pferd, das ihrem verstorbenen Opa Karl gehörte. Sie ritt, als gäbe es kein morgen. Vergessen war der Sturz vom Vorabend im Nationenpreis, ihrem misslungenen Debüt beim Aachener CHIO, in dem sie den ersten Umlauf noch bestens gemeistert hatte. Bereits da hielten die Zuschauer im Reitstadion sowie die Freunde und Bekannte aus der Kreis-Klever-Reiterei, die die glanzvollen Ereignisse im Wimbledon des Reitsports an den Fernsehschirmen verfolgten, den Atem an. Eckermann ritt im Sattel von "First of Lorne" den Wassergraben an, verschätzte sich etwas in der Distanz und sprang daraufhin zu früh ab. Der Hannoveraner Hengst strauchelte und stürzte mit ihr hinter dem Hindernis spektakulär zu Boden. Eckermann hatte Glück im Unglück, da sich Pferd und Reiterin keine Verletzungen zuzogen.

Und gestern Nachmittag stockte den Beobachtern angesichts des Husarenrittes der ehemaligen Schülerin des Pfalzdorfer Springreiters Holger Hetzel erneut der Atem. Schier ohne Nerven lenkte sie den Schimmelwallach von Sprung zu Sprung. Dabei riskierte das Paar eine ganze Menge, da es in diesem respektablen Stechparcours extrem enge Wendungen ritt, um so eine atemberaubende Zeit von 45:11 Sekunden vorzulegen.

Kaum hatte Eckermann den Parcours fehlerfrei beendet, übergab sie den Wallach der Pferdepflegerin, die ihn genüsslich grasen ließ. Die Reiterin selber aber entfernte sich schnellen Schrittes vom Ort des Geschehens. So nervenstark sie im Parcours gewesen war, wollte sie die Konkurrenz nicht reiten sehen, wenn es um alles oder nichts ging. Zu sehr lagen ihre Nerven nun blank. Denn der gleichfalls fehlerfrei reitende Brasilianer Doda De Miranda (AD Nouvelle Europe Z) kam mit 46:11 Sekunden der von Eckermann vorgelegten Zeit gefährlich nahe.

Doch immer noch wehte in der Mitte des Parcours die Nationalflagge der führenden Reiterin. Die blieb auch bis zum Ende oben, da an Eckermanns Leistung an diesem Nachmittag kein anderer Reiter aus der internationalen Konkurrenz herankam. Mit dem Sieg im Preis von Nordrhein-Westfalen hat sich die Kranenburgerin zudem für das abschließende Springen am Sonntag, dem Großen Preis von Aachen, qualifiziert. Und auch da werden sicherlich wieder zahlreiche Kreis Klever Reiter der sympathischen Amazone aus dem beschaulichen Kranenburg die Daumen drücken.

Wie hatte Bundestrainer Otto Becker doch gleich nach dem vierten Platz der bundesdeutschen Mannschaft im vorgestrigen Nationenpreis gesagt: "Wir haben es leider nicht geschafft, die sehr guten Leistungen des ersten Umlaufs im zweiten noch einmal zu wiederholen. Es lief einfach unglücklich. Aber ich habe keinen Grund, den Kopf hängen zu lassen, da sich alle Reiter mit ihren Pferden unterm Strich gut präsentierten." Da ahnte er noch nicht, dass eine seiner Nationenpreisreiter nur 24 Stunden später eine solch grandiose Vorstellung abliefern wird, wie es Eckermann im Stechen um den Preis von Nordrhein-Westfalen gelang. Wenn Ende August in Frankreich die Weltreiterspiele ausgetragen werden, dürfte Bundestrainer Becker eine Katrin Eckermann wohl nicht mehr aus den Augen verlieren.

(RP)
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