Fußball Der Fußballheld und der 7. Oktober 1944

Kleve · Bernd Trautmann erlebte die Zerstörung von Emmerich und Kleve als Soldat am Niederrhein. Die britische Autorin Catrine Clay hat eine Biografie über die Torhüter-Legende geschrieben und die Kriegsjahre in den Mittelpunkt gestellt.

 Sein letzter Besuch am Niederrhein: Im November 2009 trug sich Bernd Trautmann (r.) ins Goldene Buch der Stadt Moers ein.

Sein letzter Besuch am Niederrhein: Im November 2009 trug sich Bernd Trautmann (r.) ins Goldene Buch der Stadt Moers ein.

Foto: Klaus Dieker

Bernd Trautmann hatte kurz vor seinem Tod noch Pläne. "An meinem 90. Geburtstag können wir ja in Kleve drehen, im Kloster, wo ich die Bombe überlebt hab", schlug er im vergangenen Jahr dem Filmemacher Michael Dittrich vor, der eine Dokumentation über den früheren Weltklasse-Torhüter plante.

Wenige Tage nach diesem Gespräch — am 19. Juli 2013 — starb Trautmann im Alter von 89 Jahren in seiner letzten Wahlheimat in Spanien.

Zur Fußball-Legende, die bis heute von den englischen Fans vergöttert wird, wurde der gebürtige Bremer am 5. Mai 1956. Sein Verein Manchester City lag vor 100 000 Zuschauern im Wembley-Stadion im Pokalfinale gegen Birmingham City mit 3:1 in Führung, als in der 74. Minute das Unglück geschah. Der gegnerische Stürmer Peter Murphy drang in den Strafraum ein — Bernd Trautmann stürzte wagemutig heraus und wurde vom Knie des Angreifers am Kopf getroffen. Der Keeper blieb die restliche Spielzeit benommen im Tor. Wie sich wenige Tage später herausstellen sollte, hatte sich Trautmann in besagter Szene das Genick gebrochen und nur mit unglaublich viel Glück überlebt.

Dem Stoff, aus dem Helden geboren werden, hat die britische Autorin Catrine Clay in ihrer 2011 veröffentlichten Biografie "Trautmann's Journey" nur das letzte von insgesamt 15 Kapiteln gewidmet. Das Buch, das im vergangenen Herbst im Göttinger Verlag "Die Werkstatt" unter dem Titel "Trautmanns Weg — vom Hitlerjungen zur englischen Fußball-Legende" in deutscher Übersetzung erschienen ist, beschreibt in erster Linie eine Kindheit und Jugend unter der Schreckensherrschaft des Nazi-Regimes. Wie die meisten Jungen und Mädchen seiner Generation ist Bernd Trautmann (Jahrgang 1923) der braunen Ideologie wehrlos ausgesetzt.

Bereits mit 17 Jahren meldet er sich zum Kriegsdienst. Während des Russland-Feldzugs gerät Trautmanns Weltbild allmählich ins Wanken. Das letzte Kriegsjahr verbringt er schließlich am Niederrhein. Ende September 1944 ist Bernd Trautmann in Emmerich stationiert, wo er mit einem Motorrad die Grenze abfährt und als Kurier im Einsatz ist. "Es ging ständig hin und her auf schnurgeraden Straßen durch die flache Landschaft, immer in Erwartung eines alliierten Angriffs", heißt es in den Erinnerungen.

Mit den Worten "Sie sehen müde aus, Hauptgefreiter", gönnt ihm sein Kompanieführer einige Tage Urlaub in Kleve. Dort erlebt Trautmann, wie am 7. Oktober 1944 die Flugzeuge der Alliierten den Himmel verdunkeln und in Richtung Emmerich abdrehen — die Nachbarstadt wird wenig später dem Erdboden gleich gemacht. Auch die Klever Innenstadt ist von der Bombardierung betroffen. Trautmann flüchtet im damaligen Herz-Jesu-Kloster — heute befindet sich dort ein Altenheim — in eine Besenkammer. Mit einem Kameraden wird er dort verschüttet und nach drei Tagen aus den Trümmern befreit. Im Februar 1945 wird der damals 21-Jährige mit seiner Kampfeinheit nach Hamminkeln versetzt; zu diesem Zeitpunkt war der Krieg längst entschieden. Ein Fluchtversuch in Richtung Bremen misslingt: Ende März '45 gerät Trautmann in englische Kriegsgefangenschaft und ist sofort beeindruckt von der Freundlichkeit der feindlichen Soldaten: "Ihre erste Frage an mich war, ob ich eine Tasse Tee haben möchte."

Trautmanns Weg führt weiter auf die Insel, wo Talent-Scouts noch im Gefangenenlager auf seine sportlichen Qualitäten aufmerksam werden. In England wird der einstige Hitlerjunge nicht nur zum umjubelten Star, sondern zum toleranten Weltbürger, der in den 70er und 80er Jahren die Nationalmannschaften von Burma, Liberia und Pakistan trainiert.

Die schwere Zeit am Niederrhein hat Bernd Trautmann nie vergessen. Zumal er von dort aus mit englischer Unterstützung in ein erfülltes Leben aufbrach, das viele Höhepunkte haben sollte.

(RP)
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