Amateurfußball: Keine Zukunft

Straelens Vereinsvorsitzender Hermann Tecklenburg spricht im RP-Interview über die Gründe für den enttäuschenden Abstieg der Niederrheinliga-Mannschaft sowie die Zukunft seines Vereins.

 SV Straelens Vereinsboss Hermann Tecklenburg.

SV Straelens Vereinsboss Hermann Tecklenburg.

Foto: Seybert

Was sind die Ursachen dafür, dass die Niederrheinliga-Mannschaft des SV Straelen als Tabellenletzter versagt hat?

 Georg Kreß bleibt weiterhin Trainer beim SV Straelen.

Georg Kreß bleibt weiterhin Trainer beim SV Straelen.

Foto: Seybert

Hermann Tecklenburg Vor allem das Verletzungspech. Philipp Brouwers hat die Rückserie gefehlt, Yannick Kämpken auch. Außerdem fehlten Ronny Ernst, Sebastian Clarke und Danny Thönes jeweils mehr als zehn Spiele. Keine Mannschaft der Welt kann fünf Stammspieler ersetzen.

Welchen Stellenwert haben diese Spieler, wenn sie fit sind?

Tecklenburg Ein Philipp Brouwers ist nicht zu ersetzen. Er ist einer von zehn Feldspielern, aber nicht zehn Prozent, sondern 50 Prozent der Mannschaft. Wenn er fit geblieben wäre und sich nicht für eine berufliche Zukunft entschieden hätte, würde er wohl bei Fortuna in der Regionalliga spielen.

Und die anderen?

Tecklenburg Von denen, die ich jetzt nicht genannt habe, fällt in der Landesliga keiner auf. Keiner! Darauf ist der Abstieg zurückzuführen. Der SVS hat mit Brouwers 21 Punkte geholt, danach noch sechs.

Brouwers fiel ungewöhnlich lange aus mit seinem Muskelfaserriss.

Tecklenburg Er kam vorige Woche zu mir und sagte: "Sorry, das war reine Kopfsache." Er sei nicht wie sein Vater, nicht wie sein Vorsitzender. Wir waren eine andere Generation. Die Jungs heute sind sensibler.

Kann die neue Mannschaft wieder in die Oberliga Niederrhein aufsteigen und dort bestehen?

Tecklenburg Nein, keine Chance. Da müssten sich schon außergewöhnliche Typen entwickeln. So nüchtern muss man das sehen. Der Unterschied zwischen der Landesliga und der Niederrheinliga ist enorm.

Wer wird Trainer dieser Mannschaft?

Tecklenburg Georg Kreß.

Hat der Trainer Ihrer Meinung nach Fehler gemacht?

Tecklenburg Auch Georg Kreß wird sowohl am Erfolg, dem siebten Platz vorige Saison, als auch am Misserfolg, dem Abstieg, gemessen. Deshalb hat auch Kreß Fehler gemacht.

Hätten Sie in der entscheidenden Phase um Ostern nicht mit Ansprachen einwirken müssen?

Tecklenburg Ich habe in den letzten sieben Monaten drei Ansprachen gehalten. Es kann nicht sein, dass der Vorsitzende alle vier Wochen eine Rede halten soll.

Wie groß ist die persönliche Enttäuschung über den Abstieg?

Tecklenburg Ich war fast anteilslos und deprimiert. Die Mannschaft hat zu selten gesagt: "So, wir kämpfen jetzt bis zum Umfallen". Das hat gefehlt. Ich bin so ein Kämpfer. Wenn ich aber sehe, die Mannschaft will es nicht, kann es nicht, dann verschenke ich auch mein Herzblut nicht mehr.

Können Sie das heute besser akzeptieren als früher?

Tecklenburg Eines habe ich in meinem Leben gelernt: Es geht immer auf und ab. Diese Erfahrung macht mich gelassener.

Es ging ja schließlich auch lange aufwärts beim SV Straelen..

Tecklenburg Ich vergesse nie die Einweihung des Rasenplatzes beim SVS vor 35 Jahren. Wir spielten gegen TuS Gelria 09 und wurden mit 0:12 vom Platz gefegt. Null Chance. Da dachte ich: "Scheiße, das musst du ändern." Und das haben wir geändert. 20 Jahre später waren wir in der Oberliga — und dann ist Geldern uns hinterher gelaufen.

Was hat der Abstieg für Folgen?

Tecklenburg Der Etat wird weiter abgespeckt. Das liegt aber auch daran, dass das Geld heute bei den Sponsoren nicht mehr so locker sitzt. Der Etat wird bei 100 000 Euro liegen, in Oberliga-Zeiten waren es 400 000 Euro.

Bleibt die Gehaltsstruktur, wie sie ist? Oder gibt es, auch bedingt durch die vielen Verletzten in der vergangenen Saison, nun ein Prämienmodell?

Tecklenburg Die Mannschaft wird Siegprämien bekommen. Bei Niederlagen gibt's null.

Wenn Spieler wie Timo Hoffstadt den Verein verlassen, tut das dann auch weh?

Tecklenburg Nein. Timo kriegt in Tönisberg 400 Euro pro Monat mehr. Das ist dann eben so — auch wenn wir bei ihm sicher alle eine andere Entwicklung erwartet haben. Er war schließlich schon einmal Kandidat bei Fortuna.

Gibt es jemanden, der beim SVS den Sprung schaffen könnte?

Tecklenburg Ich sehe keinen, der in absehbarer Zeit Regionalliga spielt oder noch höher. Aber das geht auch heutzutage nicht mehr. Nennen Sie mir einen Amateurspieler in den letzten zehn Jahren, der Profi geworden ist. Keiner. Die werden alle schon in jungen Jahren gescoutet.

Was bedeutet das für den Amateurfußball?

Tecklenburg Der Amateurfußball hat keine Zukunft mehr. Nicht nur der SVS verliert Zuschauer. Der Fokus liegt auf den Bundesligen.

Also müssten ambitionierte Amateurvereine selbst Bundesligisten werden.

Tecklenburg Wenn du einen Club nach oben bringen willst, musst du schon Milliardär sein.

Sie sind also mit dem SVS, im Reinen?

Tecklenburg Total im Reinen. Wenn die Mannschaft nächste Saison Erster ist, dann soll sie aufsteigen. Aber dann bräuchten wir Verstärkungen. Und die bekommen wir nicht. Ich kann keinen Nachwuchsspieler vom MSV Duisburg holen. Oder ich muss ihm 5000 Euro zahlen, und da wäre ich ja bekloppt.

Meyel Löning und Reinhard Pösel führten das Gespräch.

(RP)
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