Kleve Soweit der Erdkreis reicht
Kleve · In einer Serie werden Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des internationalen Standorts Kleve beleuchtet. Heute: Johann-Moritz von Nassau-Siegen wurde 1647 vom großen Kurfürsten als Statthalter entsandt.
Kleves Stern lag darnieder. Die Linie der Herzöge endete ohne Nachfolger, Streit um die Nachfolge, die lange Kriege des 17. Jahrhunderts taten ihr übriges. Andreas Gryphius berühmte Zeile über den 30-jährigen Krieg galt auch für Kleve: "Wir sind doch nunmehr ganz, ja mehr denn ganz verheeret!"
Als in Münster die Kriegsparteien endlich zum Frieden fanden, stand am Rande der Runde der hohen Herren, die dort verhandelten, ein Prinz aus Siegen. Den schickte der große Kurfürst in seine neue brandenburgische Residenz. Und was machte der Mann: Er pflanzte Bäume und baute aus dem Kriegsschrott Denkmäler. Die Bevölkerung murrte.
Der Wahlspruch
Der Prinz, um den sich diese Anekdote rankt, ist Johann-Moritz von Nassau-Siegen. Er wurde 1647 zum Statthalter ernannt und starb 1679 in Bergendal bei Kleve. Sein wahlspruch: "Soweit der Erdkreis reicht". Internationaler geht es nicht.
Denn er führte den Wahlspruch zu Recht: Er hatte Ämter bei der Ost-Indischen Compagnie in Brasilien inne, gründete hier die Residenzen Vrijburg und Boavista, brachte aus der neuen Welt Erkenntnisse für die Naturwissenschaften mit, hatte Maler im Schlepptau, die Tiere, Menschen und Landschaften aus Brasilien festhielten und deren Gemälde davon heute in den bedeutendsten Museen Europas hängen, baute im Osten Europas den Johanniter-Sitz Sonneburg.
Als Architektur-Liebhaber und Gartenplaner baute er die mittelalterliche Stadt und vor allem das Schloss um, schuf einen der bedeutendsten Barock-Parks Europas rund um das Amphitheater und bereitete damit der künftigen Kurstadt Kleve das Feld.
Das barocke Kleve wurde internationaler Drehpunkt für das aufstrebende Brandenburg. Man brauchte hier im Osten Ingenieure und Techniker, Wissenschafter — und die kamen aus dem benachbarten Holland über Kleve. Letztlich hatte er dafür zu sorgen, dass über Kleve bedeutende Architekten und Künstler bis nach Berlin fanden.
Dass seine Alleen in Kleve Vorbild für "Unter den Linden" in Berlin waren, wird gerne zitiert, ist aber nicht endgültig belegt. Jedenfalls soll Friedrich Wilhelm den Bau der sechsreihigen Allee aus Linden und Nussbäumen von Kleve aus angewiesen haben, heißt es.
Kleve ist bis heute von Johann-Moritz von Nassaus Geist städteplanerisch geprägt. Die Achsen der Alleen durchziehen die Stadt seit dem Barock: die Nassauerallee, die Lindenallee, die Tiergartenstraße, der Barockpark, die Wasserburgallee und nicht zuletzt die Eichenallee.
Selbst einige der barocken Kunstwerke sind überliefert: Eine in die Erde gerammte Kanone war Vorbild für eine der bedeutendsten Arbeiten von Joseph Beuys, die Straßenbahnhaltestelle für Venedig, den Eisernen Mann im Park gibt es als moderne Version von des international renommierten Bildhauers Stephan Balkenhol neu. Auch das ganz im Sinne des Erfinders: Johann Moritz von Nassau Siegen war eben international geprägt. Soweit der Erdkreis reicht.