Bedburg-Hau Sexualtäter sollen nach Bedburg-Hau

Bedburg-Hau · Experten schlagen vor, ehemalige Sicherungsverwahrte nicht in Neuss, sondern in der forensischen Klinik Bedburg-Hau unterzubringen. An der Idee scheiden sich die Geister.

Susanne Huptasch ist Rektorin der Martin-Luther-Grundschule in Neuss. Die Einrichtung ist rund 800 Meter von dem alten Abschiebegefängnis entfernt, in dem möglicherweise künftig entlassene Sexualstraftäter untergebracht werden sollen. "Ich habe größte Bedenken gegen ein solches Vorhaben", sagt die Pädagogin. "Die Kinder sollen ihren Schulweg möglichst alleine bewältigen — und die Eltern würden sich große Sorgen machen."

In Neuss formiert sich der Widerstand gegen die Pläne der Landesregierung, ehemalige Sicherungsverwahrte in dem Gemäuer in der Innenstadt einzuquartieren. "Das kann nur der schlechteste Platz in NRW sein", sagt Bürgermeister Herbert Napp (CDU). Parteifreunde springen ihm bei. "Neuss ist ungeeignet", sagt Peter Biesenbach, Innenexperte der Landtagsfraktion. "Ich verstehe nicht, warum nicht die forensische Klinik in Bedburg- Hau in die Überlegungen einbezogen wird."

In Bedburg-Hau werden Patienten im Maßregelvollzug therapiert. Das sind vornehmlich Straftäter, die aufgrund einer Psychose (zum Beispiel Sexualstraftäter, nach Paragraf 63 Maßregelvollzugsgesetz) oder wegen Drogen- und Alkoholsucht (Paragraf 64) nicht strafmündig sind und therapiert werden. Die Klinik litt jahrelang an Überbelegungen und ungeeigneten Räumlichkeiten. Nach Ausbrüchen 2002 und einer regelrechten Ausbruchsserie 2003 wurden fünf Meter hohe Zäune um die entsprechenden Häuser gezogen. Anfang 2009 wurde ein Neubau (110 Plätze) eröffnet. Derzeit werden in der Forensik insgesamt 384 Patienten betreut.

Die Einrichtung in Bedburg Hau wird vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) betrieben. Stephan Haupt (FDP), sitzt in der Landschaftsversammlung des LVR und ebenso im Krankenhausausschuss, der für die LVR-Kliniken in Essen und Bedburg-Hau zuständig ist. "Die Landschaftsverbände müssen ihre Kompetenzen anbieten, um die Straftäter aus der Sicherungsverwahrung in gesonderten Einrichtungen unterzubringen", fordert der Liberale. Die Betreuung von ehemaligen Straftätern, die gesichert und therapiert werden sollen, gehöre zu den "Kernkompetenzen" des LVR. In Bedburg-Hau sehe er aber derzeit "keine geeigneten Immobilien". Auch Bürgermeister Peter Driessen (parteilos) sieht keine freien Kapazitäten: "Der Neubau ist komplett belegt, und die freigewordenen alten Stationen sind aufgrund des Aufnahmedrucks für drogenabhängige Forensik-Patienten auch schon wieder belegt", sagt der Politiker.

Möglicherweise wird die Klinik aber nicht um die provisorische Aufnahme der ehemaligen Sicherungsverwahrten herumkommen. Denn die Zahl der Betroffenen, die unmittelbar nach dem 1. Januar untergebracht werden sollen, ist übersichtlich: Die Landesregierung erwartet nicht mehr als zehn Fälle. In Regierungskreisen wird betont, dass das Therapieunterbringungsgesetz der Bundesregierung erst am 17. Dezember 2010 den Bundesrat passiert habe. Dieses Gesetz regelt, dass ehemals Sicherungsverwahrte, die aufgrund einer "psychischen Störung" weiterhin besonders gefährlich sind, in geschlossenen Einrichtungen untergebracht werden können. Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Jahr 2009 waren auch in NRW zahlreiche Sexualstraftäter entlassen worden.

Uwe Dönisch-Seidel ist Landesbeauftragter für den Maßregelvollzug in NRW. Er hält nichts von der Unterbringung der ehemaligen Sexualstraftäter in Bedburg-Hau. "Eine Forensik ist ein Krankenhaus", sagt Dönisch-Seidel. Eine Vermischung von schuldunfähigen und schuldfähigen Straftätern sei aus therapeutischen Gründen nicht möglich. Eine These, für die Anwohner in Neuss nur begrenztes Verständnis haben.

(RP)
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