Niederrhein Seelsorger und Anwalt

Niederrhein · Andreas Bräm gilt heute als der Vater der Erziehungsvereine. Er ist Begründer der Inneren Mission im Rheinland. Sein Wirkungsschwerpunkt lag in Neukirchen, dem Ort des Neukirchener Abreißkalenders.

Als Andreas Bräm 1835 Pfarrer in Neukirchen wurde, hatten die Folgen der Industrialisierung Deutschland in aller Härte erfasst. Verwahrloste wie elternlose Kinder lebten auf der Straße ohne ausreichende Nahrung, Kleidung oder die Chance auf eine Ausbildung. Weder Staat noch Kirche griffen ein. Bräm konnte nicht weiter tatenlos zusehen, wurde auch nicht müde, auf den Kirchentagen über seine Arbeit zu berichten. Zehn Jahre später, am 15. Dezember 1845, gründete er mit Freunden den "Verein zur Erziehung armer, verlassener und verwahrloster Kinder in Familien", der später staatlich anerkannt wurde.

Der Verein nahm Pflegekinder aus der gesamten Preußischen Rheinprovinz auf. Nach einer Station in Neukirchen mit vereinseigenen Orten wie Haus Sonneck oder Haus Zuversicht lebten die Kinder innerhalb des Gebietes in christlichen Pflegefamilien. 1896 waren es bereits 900 Kinder. Die Finanzierung des Vereins sicherte neben den spärlichen Kollekten erst 1890 der Vertrieb des christlichen Neukirchener Abreißkalenders.

Theologiestudium in Tübingen

Bräm wusste aus eigenen Kindertagen, was Hunger, Not und Sorge bedeuten. Er wurde 1797 in Basel als Sohn eines Modellstechers geboren. Als der Vater 1816 an einer Lungenentzündung starb, war die Familie Bräm hochverschuldet und kam bei Verwandten unter. Nach dem Besuch des Gymnasiums folgte dank stiller finanzieller Unterstützung 1819 für Bräm das Theologiestudium in Tübingen.

Prägend scheint in diesen Jahren unter anderem der Kontakt zur baltischen Erweckungspredigerin Freifrau Juliane von Krüdener zu sein, die erste Impulse setzte. Bräm: "Ich wandte mich an Herrn Jesum und bat ihn, mein Hirte zu sein und mich zu leiten und zu erleuchten."

Nach dem Vikariat folgte 1821 eine Stelle als Hauslehrer bei der Krefelder Seidenfabrikantenfamilie von der Leyen. Wanderungen führten ihn nach Neukirchen zu Pfarrer Rappard, dessen Tochter Wilhelmine Bräm heiratete. Zurück in Basel unterrichtete er zunächst am Mädchengymnasium und war Dozent am Missionsseminar. Es sind wohl mit die entscheidenden Momente in seinem Leben, als er die Armenschullehranstalt und Rettungsanstalt in Beuggen am Rhein besuchte, die die Grundlage für seine sozialpädagogische Arbeit legten.

In Neukirchen gab es für Andreas Bräm bei Amtsantritt viel Arbeit, es mussten Schulen gebaut werden, die Kirche war reparaturbedürftig. Der Alkoholismus war ein Problem in seiner Gemeinde, ein Enthaltsamkeitsverein die Antwort darauf. Im Revolutionsjahr 1848 schloss sich Bräm der Bewegung "Innere Mission" an, die Johann Hinrich Wichern auf dem ersten Deutschen Kirchentag ins Leben gerufen hatte. Bräm wurde Mitbegründer des Rheinischen Provinzial-Ausschusses für Innere Mission, heute Diakonisches Werk.

Geschützter Lebensraum

Sein Interesse galt den Fabrikarbeitern, seine Hauptsorge den Frauen und Kindern. Die Gründung von Haus Elim 1880 in Neukirchen, einem Heim für gefährdete Mädchen, war sein letztes Werk, das Mädchen bis heute geschützten Lebensraum bietet. Im Januar 1882 starb Bräm nach längerer Krankheit. Andreas Bräm scheint in Vergessenheit geraten zu sein, aber Werk und Erbe mit dem bis heute gültigen Leitgedanken "Kein Kind darf verloren gehen" leben weiter fort.

(RP)
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