Schloss Moyland: Beuys zur Weihnachtszeit Beuys und sein Tannenbaum

Bedburg-Hau-Moyland · Eva Beuys hat das Werk eines verrottenden Christbaums ihres Mannes fotografiert. Die Nadeln dieses Baumes haben mit großer Wahrscheinlichkeit in einem Kunstwerk „überlebt“. Beides ist im Schloss zu sehen.

 Museum Schloss Moyland: Die Ausstellung zeigt die Fotografien von Eva Beuys. Hier der Weihnachtsbaum.

Museum Schloss Moyland: Die Ausstellung zeigt die Fotografien von Eva Beuys. Hier der Weihnachtsbaum.

Foto: Markus van Offern (mvo)

 Selbst ohne Kenntnis des Autors kann man das Werk recht einfach zuordnen: Mitten auf einem Bett aus uralten Tannennadeln liegt ein Hut. Der Hut ist braun angemalt und die verdorrten Tannennadeln liegen in einer fast quadratischen, etwa 16 Zentimeter hohen Pappkiste. „Ohne Titel“ steht daneben. Und: „Segeltuchhut, mit brauner Ölfarbe bemalt, Liebesperlen, Karton, Fichtennadeln“. 1963 hat der Klever RP-Fotograf Fritz Getlinger diesen Hut aufgenommen, von schräg oben. Still ruhend auf seinem Nadelbett. Das Foto findet sich auch im Katalog der Ausstellung von Beuys in Stockholm. Heute liegt der Hut im Skulpturenkeller von Museum Schloss Moyland. Unter der Glashaube, auf grauen Nadeln und mit brauner, inzwischen leicht abblätternder  Ölfarbe bemalt. Ein ebenso einfaches wie rätselhaftes Werk.

Möglicherweise ist der Hut aus einem anderen  „Werk“ von Beuys entstanden, das seine Frau Eva 1962 im Atelier-Wohnraum des Hauses am Drakeplatz fotografierte:  Das Gerippe des ersten Christbaums der Familie, den sie in ihrem neuen Heim am Drakeplatz aufgestellt hatten. Der dann stehen blieb und zum Kunstwerk wurde, Titel: „Nadeln eines Christbaums, 1962“. Unterm Baum die Nadeln all überall. Als habe Beuys die Satire von Heinrich Böll „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ zu ernst genommen. Der war bitterböse der Frage auf den Grund gegangen, was wäre, wenn der Engel jeden Tag Hosianna singt und Weihnachten wäre und man die Wirklichkeit (mit Blick auf die NS-Zeit) einfach verdrängt, draußen lässt. Und er beschrieb das Martyrium derer, die jeden Tag Weihnachten erleben müssen. Die Satire brachte Böll den Vorwurf ein, er betreibe die „Verunglimpfung des deutschen Gemüts“.  Jedenfalls ließ auch Beuys den Baum stehen, „bis die Würmer ihn fraßen“, wie er später in einem Interview sagt.  Zwei Jahre lang stand der Baum und verlor alle Nadeln. Das Foto von Eva Beuys zeigt das Gerippe im Gegenlicht des Atelierfensters.

Alexander Grönert, Kurator der Ausstellung „Drakeplatz“, wurde hellhörig, als er das Foto vom Gerippe des Baums sah. „Diese Nadeln, die haben wir möglicherweise in einem anderen Werk“, befand er. Denn als der Hut auf dem Nadelbett „Ohne Titel“ aus dem Depot geholt wurde, um in die Skulpturenausstellung im Souterrain des Schlosses zu kommen, waren die Nadeln verrutscht. Der Restaurator musste das Werk richten und säubern. Und er fand dabei kleinste Reste vom Christbaumschmuck, wie von zerbrochenen Kugeln. „Das lässt vermuten, dass es Nadeln eines Christbaums waren, die dort unter dem Hut liegen“, sagt Grönert. Das passt auch zeitlich, denn der Baum wurde wohl Weihnachten 1961, im Jahr des Einzugs, aufgestellt, Getlinger machte das Foto 1963, also zwei Jahre später. Jene zwei Jahre, die der Baum dort wohl gestanden haben soll, wie  Beuys es 1969 in besagtem Interview sagte. Damit würde sich in Moyland derzeit ein Kreis schließen: der Anfang unterm Gerippe des Baumes, das Ende unterm Hut in der Pappkiste.

„Es ist nicht unüblich, dass Beuys Teile von alten Werken in ein neues Werk überführt“, sagt Grönert mit Blick auf den Hut. Eine Interpretation des Werks möchte Grönert erst mal nicht geben: „Beuys wollte Interesse wecken, damit man sich Gedanken macht“. Die wird man sich machen, bei den Nadeln mit Hut.

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