Kleve-Rindern Schleichender Tod einer Sterbekasse

Kleve-Rindern · Der so beschauliche Klever Ortsteil Rindern ist in Aufruhr. Jahrzehnte wurde dort wie in vielen anderen Orten für die Sterbekasse gesammelt. Seit anderthalb Jahren ist es hier zu keiner Auszahlung nach einem Todesfall gekommen.

 Der Rinderner Friedhof: Hier sind einige Mitglieder der Sterbekasse beigesetzt, die Jahrzehnte umsonst Beiträge eingezahlt hatten.

Der Rinderner Friedhof: Hier sind einige Mitglieder der Sterbekasse beigesetzt, die Jahrzehnte umsonst Beiträge eingezahlt hatten.

Foto: Klaus-Dieter Stade

Ihr Mann war sorgfältig. Jahrzehnte hatte er pünktlich die Familienbeiträge in die Sterbekasse der Pfarrgemeinde Rindern-Wardhausen eingezahlt. Die 70-jährige in Rindern lebende Frau (Name der Redaktion bekannt) verlor Anfang 2012 ihren Ehemann. Seitdem wartet sie vergebens auf das Geld aus der Sterbekasse. "Das war für mich immer ein fest eingeplanter Bestandteil. Ein Zuschuss für die Beerdigungskosten. Ich hatte mit dem Geld gerechnet und mich auch darauf gefreut", sagt die 70-Jährige.

Ob in Nütterden, Donsbrüggen oder in der Nachbarschaft Materborn/Kleverberg — Sterbekassen gibt es seit Generationen im Klever Land. In Rindern sieht es derzeit so aus, als hätten die 70-Jährige, ihr verstorbener Mann und mehr als 1000 weiteren Mitglieder Jahrzehnte umsonst Beiträge an die Sterbekasse gezahlt. Grund dafür, dass es seit anderthalb Jahren keine Zuwendungen mehr gibt, ist, dass die letzten Beiträge im Herbst 2011 eingezogen wurden.

Der Kassierer, ein Mann gesetzten Alters, hatte die fälligen Gelder nicht mehr eingesammelt. "Der hat das Ding vor die Wand gefahren", sagt die 70-Jährige erbost und erklärt, dass der Kassierer sie seit dem Tod ihres Mannes hinhalten würde. "Ich sollte schon mal eine Kopie der Sterbeurkunde einwerfen, hatte er mir mitgeteilt. Danach vergingen wieder Monate ohne etwas von ihm zu hören", sagt die Witwe, die zuletzt im Herbst 2011 14 Euro einbezahlt hatte. Drei- bis viermal im Jahr wurden die Beträge eingesammelt.

Doch nicht nur die 70-Jährige wartet vergebens auf das Geld aus der Kasse. So hat es schon mehr als zehn Todesfälle von Mitgliedern der Sterbekasse gegeben, deren Hinterbliebene die ihnen zustehenden Gelder nicht erhalten haben. Zwischen 400 und 600 Euro wird für einen Verstorbenen an Empfangsberechtigte gezahlt. Die Sterbekasse der Pfarrgemeinde Rindern-Wardhausen, die, anders als es der Name vermuten lässt, keine kirchliche Einrichtung ist, besitzt mehr als 1000 Mitglieder und existiert seit nahezu 100 Jahren. 1923 wurde sie gegründet.

In Rindern waren einst die Vorsitzenden der verschiedenen Nachbarschaften für das Einsammeln der Beiträge verantwortlich. Nachdem diese Strukturen sich teilweise aufgelöst haben, kümmerten sich zwei Männer um die Finanzen. Denen wird nicht vorgeworfen, Geld unterschlagen zu haben, da in der Kasse keine größeren Beträge vorhanden waren.

Der Rinderner Edmund Verbeet hat es sich zusammen mit weiteren sechs Mitgliedern zur Aufgabe gemacht, in Sachen Sterbekasse zu retten, was noch zu retten ist. "Die Sterbekasse ist so organisiert wie ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Nach einem Umlageverfahren wird ermittelt, wie viel Geld man braucht. Das liegt an der Zahl der verstorbenen Mitglieder. Diese Summe wird dann auf die Beitragszahler umgelegt. Es gab also nie einen höheren Kassenbestand", erklärt Verbeet und ergänzt: "Das ist ein Verfahren, was seit Jahrzehnten in den Ortschaften funktioniert. Wenn man ordnungsgemäß handelt." In Rindern sei die Stimmung derzeit angespannt, so Verbeet. Anders formuliert: Die Volksseele kocht.

Die Mehrzahl der Mitglieder wünsche es offenbar, dass die Sterbekasse weitergeführt wird, schätzt Verbeet die Stimmung ein. Problem war, dass der unzuverlässige Kassierer sich lange Zeit geweigert hatte, die Mitgliederlisten herauszurücken. Die Liste ist zudem unvollständig und nicht auf dem aktuellen Stand. Viele Mitglieder wohnen nicht mehr in Rindern, ihre Aufenthaltsorte werden nun recherchiert. Die Initiative der sieben Rinderner Bürger will jetzt auf einer Mitgliederversammlung wieder Struktur in die Sterbekasse bringen. Für heute, 19 Uhr, haben sie zu einer Versammlung in die Begegnungsstätte Rindern eingeladen. Verbeet, der Direktor des Amtsgerichts Emmerich ist, erklärt, dass es wichtig ist, dass möglichst viele Mitglieder zu dem Treffen kommen: "Nur wenn eine nennenswerte Zahl kommt, ergibt sich ein ordentliches Meinungsbild. Wir wollen nicht, dass nur einige, wenige über die Zukunft des Vereins entscheiden." Urteilt man nach der derzeitigen Stimmungslage, so stehen die Zeichen günstig für das Vorhaben: Die Sterbekasse soll weiterleben.

(RP/rl/anch)
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