Kleve Rumänenprozess: Wie wirkt ein Opfer?

Am vierten Tag des Vergewaltigungsprozesses gegen vier Rumänen ging es vor dem Landgericht Kleve um die Frage, wie das mutmaßliche Opfer auf die Zeugen wirkte.

 Vier Rumänen müssen sich vor dem Landgericht Kleve verantworten.

Vier Rumänen müssen sich vor dem Landgericht Kleve verantworten.

Foto: Gottfried Evers

Wie muss ein Vergewaltigungsopfer wirken, wenn es Zeugen gegenübertritt? Muss es weinen, in Tränen aufgelöst sein, zittern, zerrissene Kleidung vorweisen, Verletzungen zeigen?

Am vierten Tag des Prozesses gegen vier Bauarbeiter aus Rumänien, die der gemeinschaftlichen Vergewaltigung angeklagt sind, sagten am Montag (5. September) fünf Polizeibeamte und ein Zeitungszusteller als Zeugen aus. Alle waren sie Florina F. begegnet, und zwar nur kurze Zeit nach den Ereignissen, die in der Anklage als ein mehrtätiges Martyrium geschildert wurden.

Verlaufene Wimperntusche

Einer der fünf Beamten — er war in der Wohnung in Kleve — berichtete, die 19 Jahre alte Frau habe geweint; in ihrem Gesicht habe er verlaufene Wimperntusche bemerkt. Dies war der einzige Hinweis darauf, dass in der Wohnung Geschehnisse zum Nachteil von Florina F. vorgefallen sind. Ansonsten ergaben die Zeugenaussagen in ihrer Gesamtheit ein eher ungewöhnliches Bild vom Verhalten eines mutmaßlichen Opfers.

Dem Beamten in der Wohnung sagte die Frau in derber deutscher Ausdrucksweise in Ein-Wort-Sätzen, dass es verschiedene sexuelle Handlungen gegeben habe. Dabei deutete sie auf ihren (nicht angeklagten) Freund, so dass der Beamte, der des Rumänischen nicht mächtig war, aus den wenigen verständlichen Wortfetzen sowie aus den Gesten der Frau und der anderen Mitbewohner folgende Situation erschloss: Es gab überlauten Sex, durch den sich einer Bewohner gestört fühlte, was dann zu einem Streit führte. Die Polizei verbuchte den Fall denn auch zunächst als "nächtliche Ruhestörung".

Sprachschwierigkeiten

Zwei weitere Polizisten, die etwas später an den Einsatzort gelangten, schilderten, dass Florina F. bereits in einem Polizeiwagen gesessen habe, aus dem sie dann aber widerspruchslos ausgestiegen sei. "Das Verhalten der Frau deutete in keiner Weise darauf hin, dass es sich um ein Opfer handelte", so ein 36-jähriger Polizist. "Sie sah überhaupt nicht derangiert aus", so sein Kollege (37).

Eine weitere Polizeistreife kam mit der Frau und deren Freund in Kontakt, als die beiden in den frühen Morgenstunden auf der Hoffmannallee liefen. "Sie war nicht verletzt, sie hat nicht geweint, sie hat absolut ruhig gewirkt", so der Eindruck eines Polizeibeamten. Wieder gab es Sprachschwierigkeiten, wieder fielen derbe sexuelle Ausdrücke, und erneut schlossen der 43-Jährige und sein Kollege darauf, dass es hier um Probleme nach gemeinschaftlichem und einvernehmlichen Sex gegangen sei. "Sie sahen aus, als ob sie nach einer Übernachtungsmöglichkeit suchen." Er wies den Weg zum Schweizerhaus, damit war der Fall für ihn erledigt. "Es war eine abgeschlossene Kommunikation im Rahmen der Möglichkeiten."

Überrascht

Alle Polizisten, die in der Nacht im Einsatz waren, zeigten sich völlig überrascht, als sie später von den Vergewaltigungsvorwürfen erfuhren. Auch der Zeitungszusteller, der auf Bitten des Pärchens die Polizei gerufen hatte, schilderte in seiner Zeugenaussage nichts Auffälliges: "Die Frau war ruhig, nicht wütend, hat nicht geweint, und sie hat auch keinen Arzt verlangt."

Es wäre von Vorteil für das Verfahren, wenn das mutmaßliche Opfer sich zu diesen Dingen äußern würde. Richter Jürgen Ruby lässt denn auch nichts unversucht, um dies zu erreichen. Versuche, per Handy Kontakt aufzunehmen, scheiterten bereits — vermutlich wurde das Gespräch abgewiesen. Nun hat er ein Rechtshilfeersuchen gestartet, mit dem Ziel, Florina F. per Videokonferenz zu vernehmen. Doch auch hier ist der Ausgang ungewiss.

Der Prozess wird am 7. September fortgesetzt.

(jul)
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