Kleve Rumänenprozess: Freudentränen nach Freispruch

Kleve · Letzte Überraschung im Vergewaltigungsprozess gegen vier Rumänen: Gericht hatte zu starke Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Opfers. Dramatische Szenen unmittelbar vor der Urteilsverkündung. Angeklagter kollabiert.

 Eine Szene des über viele Verhandlungstage angesetzten Prozesses – mit den Verteidigern und Angeklagten.

Eine Szene des über viele Verhandlungstage angesetzten Prozesses – mit den Verteidigern und Angeklagten.

Foto: Evers

Es ist die letzte Wendung in einem an Überraschungen reichen Prozess, als Richter Jürgen Ruby das Urteil der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Kleve verkündete: Freispruch für die Rumänen, die der Vergewaltigung einer Landsmännin angeklagt waren.

Von der Begründung bekamen die Angeklagten nichts mehr mit - sie weinten vor Freude, einer der Männer kniete sich sogar nieder und bekreuzigte sich. "Wir gehen davon aus, dass die Untersuchungshaft eine gewisse Lehre für Sie war", so Ruby in seinem Schlusswort. "Wir wissen nur nicht, wofür."

Tränen flossen

Bereits anderthalb Stunden zuvor waren im Saal A 122 Tränen geflossen, als die Angeklagten in ihrem Schlussworten ihre Unschuld beteuerten. Als die Kammer sich zur Beratung zurückzog, sahen sich die Angeklagten mit einer möglichen Zukunft konfrontiert, die sie für Jahre ins Gefängnis befördert hätte.

Denn Staatsanwalt Gerd Schulte hatte für Freiheitsstrafen zwischen sechs und elf Jahren plädiert. Seiner Ansicht nach waren die Aussagen des Opfers trotz aller Widersprüche "im Kern" glaubhaft. Die Angeklagten waren fassungslos, und ihre Verteidiger schossen aus allen Rohren.

Viermal forderten sie Freispruch. Stefan Siebert, Verteidiger des Hauptangeklagten Costinel L. (30): "Es bestehen ernsthafte Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin, die im übrigen durch Abwesenheit glänzt." Silke Gorissen: "Die Spermaspuren belegen den Geschlechtsverkehr, aber nicht, dass er gegen den Willen der Zeugin stattfand."

Nadja Afraz brachte in schneller Folge Wörter und Formulierungen wie "lebensfremd", "nicht nachvollziehbar", "wie aus 1001 Nacht" - immer ging es um die Aussagen des Opfers. Ihr Eindruck der Vernehmung vor dem Amtsgericht, deren Videoaufzeichnung im Prozess vorgespielt wurde: "Sie machte nicht den Eindruck einer gebrochenen Frau - es war ihr wichtig, wie ihre Frisur sitzt."

Für Iordache N. war die Anspannung zu viel. Unmittelbar bevor die Kammer sich zurückzog, kollabierte er im Gerichtssaal. Ein Notarzt wurde gerufen, ein Rettungswagen brachte ihn ins Klever Krankenhaus. Dort wurde er untersucht, so dass er nicht zur Urteilsverkündung anwesend sein konnte.

Im Laufe des Abends sollte er sein Urteil erhalten - dass es ein Freispruch sein wird, daran kann es keinen Zweifel geben. Denn das Gericht begründete den Freispruch mit großen Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Opfers.

Die Kammer fand in der Fülle von Tatversionen ein Detail, das Unbehagen verursachte: Ursprünglich hatte die Frau bei der Polizei ausgesagt, sowohl am 17. Januar als auch am 18. Januar nachmittags und abends vergewaltigt worden zu sein - also drei Tatkomplexe.

Schon in der ersten richterlichen Vernehmung gibt es die Tat vom 17. Januar nicht mehr. Richter Ruby: "Daher ist die Kammer auch den übrigen Teilen der Aussage mit äußerster Skepsis und Vorsicht begegnet." Da es ausreichende Beweise für eine erzwungene sexuelle Handlung nicht gebe, bleibe als Kriterium die Glaubwürdigkeit der Zeugin.

Zahlreiche Widersprüche, aber auch die Tatsache, dass sie von der Ehefrau des Hauptangeklagten Geld angenommen hatte, um ihre Aussage zu widerrufen (was sie dann aber doch nicht machte), sowie ihre Weigerung, in Kleve vor dem Gericht auszusagen, legte die Kammer ihr zum Nachteil aus.

(RP/jul)
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