Kleve Kultbands bleiben lebenslang kultig

Kleve · In den 60er Jahren füllte die Beatband „The Barons“ die Säle der Region. Nur noch zwei Protagonisten des Quartetts können auf die bewegte Zeit zurückschauen. Die Rebellen von einst haben nun ein Buch herausgebracht.

 „The Barons“ waren in den 60er Jahren eine der populärsten Jugendbands der Region.

„The Barons“ waren in den 60er Jahren eine der populärsten Jugendbands der Region.

Foto: Repro Marc Cattelaens

Die Haare sind grauer, das Sakko enger, der Gang genügsamer geworden. Und dennoch: Die Beatband „The Barons“ hat an Strahlkraft nichts eingebüßt. „Noch immer sprechen uns viele Leute an, sie fragen: ´Macht ihr noch was?´“, sagt Jan-Welm Biermann, in den 60er Jahren Mitglied des legendären Quartetts aus Hasselt. Mit ihrem Poprock und den stilechten Scheitelfrisuren füllten sie in dem Jahrzehnt die Kneipenbühnen am Niederrhein. Sie prägten mit Gruppen wie den „Starfighters“ oder den „Magicians“ die Kreis Klever Musikszene. Nun, Jahrzehnte später, besuchten Biermann und Carl-Heinz Cronenberg die RP-Redaktion, um ihr Buch vorzustellen: „The Barons – The Story“. Auf 80 Seiten wird die Geschichte der Kultband auf den Spuren der Beatles erzählt. Die Veröffentlichung des von Biermann maßgeblich verfassten Werks kommt für die Bandprotagonisten Helmut Kehmeier und Karl-Heinz Lemm zu spät.

„Das war damals eine bewegte Zeit“, sagt der 68-jährige Carl-Heinz Cronenberg, genannt „Charly“. Er und Biermann hätten Anfang des Jahres die Idee entwickelt, die Geschichte von „The Barons“ aufzuschreiben. „Wir dachten, dass es viel zu schade wäre, wenn diese Musikgeschichte in Vergessenheit geraten würde“, sagt Biermann. Die Epoche der Beatmusik hat ihren Ursprung im Vereinigten Königreich, schwappte zu Beginn der 60er-Jahre auch nach Deutschland über. Auf E-Gitarrenspiel basierend bewegt sich Beatmusik irgendwo zwischen amerikanischem Rock ’n’ Roll und britischem Skiffle – zumindest aus heutiger Perspektive. „Früher war die Musik bei vielen verpönt. Ältere sahen uns als Zirkusleute, die Krach machen“, sagt Cronenberg.

Ausgangspunkt der literarischen Aufarbeitung der Bandgeschichte ist ein heißer Sommertag im Jahr 1964. Auf dem Schulhof der Schule in Hasselt spielte ein Chor aus Essen-Spielberg Stück der Musikidole aus England. „Ich kann mich noch genau daran erinnern, so sehr war ich, wie man heute sagt, geflasht“, sagt Biermann. Helmut Kehmeier saß neben ihm, sofort fassten sie den Entschluss, Gitarre zu spielen. Rudi Koenen und Schlagzeuger Hermann Meier komplettierten die Vierer-Besetzung. Später ersetzte Cronenberg Meier. Noten spielen konnte keiner, autodidaktisch schritten sie gen Bühnendebüt. Im September 1965 folgte der erste Auftritt in der Pfalzdorfer Gaststätte „Schröder“. Vier Stunden Tanzveranstaltung, alles drehte sich um „The Barons“. Die Ankündigung in der Rheinischen Post lautete: „Tanz für jedermann mit Beateinlagen.“ Die ganz große Bühne aber war das noch nicht, nur dreißig Jugendliche waren der Einladung gefolgt. Drei Wochen später dann ein Auftritt in jener Kneipe, die zur Heimspielstätte von „The Barons“ avancierte: Grüntjes-Caldenhoven in Hasselt. „Damals trugen die jungen Leute noch Anzug und Sakko, das sollte sich allerdings schnell ändern“, sagt Biermann. Eine Generation, die sich gegen Zwang und Autoritäten einer biederen Konsumgesellschaft auflehnte, setzte nicht nur musikalisch, sondern auch modisch Ausrufezeichen: Die Kleider wurden bunter, die Röcke kürzer, die Hemden weiter. „Wir waren damals niederrheinische Rebellen“, sagt Biermann. Rebellen, die auch in der Frauenwelt gut ankamen. Schließlich seien die Männer nicht nur an Beatmusik, sondern auch an den „Groupies“ des anderen Geschlechts interessiert gewesen. Im Buch heißt es daher: „Von der Bühne aus hatte man einen guten Ausblick auf das Angebot auf der Tanzfläche.“ Wenig verwunderlich ist daher auch, dass alle vier ihre späteren Ehefrauen bei „The Barons“-Auftritten kennenlernten.

 Carl-Heinz Cronenberg (l.) und Jan-Welm Biermann haben ein Buch über die Geschichte ihrer Band veröffentlicht.

Carl-Heinz Cronenberg (l.) und Jan-Welm Biermann haben ein Buch über die Geschichte ihrer Band veröffentlicht.

Foto: Markus van Offern (mvo)

In den Jahren darauf entstand ein regelrechter Hype um die Beatband, die Rheinische Post berichtete, die Musiker gaben Fanpostkarten aus. Im Handelshof in Uedem, beim Beat-Festival in der Klever Stadthalle oder im Old Grany`s Saloon in Kleve traten die Barone auf. Eine Reise in die Jugendclubs Berlins ist besonders in Erinnerung geblieben. „Das war noch ein ganz anderes Berlin als heute. Für uns ein kleiner Kulturschock, immerhin tobten da noch die Studentenrevolten“, sagt Biermann. Anfang der siebziger Jahre wurde es ruhiger um die Gruppe. In den Fokus rückten Studium, beruflicher Werdegang, die Familienplanung. Die Beatband trat nur noch bei Privatanlässen auf, etwa für den guten Zweck. Der letzte Auftritt von „The Barons“ datiert aus dem Jahr 2017. Damals, zur Schlussfete der Gaststätte „Zum Erfgen“, probten Biermann, Cronenberg und Werner Kehmeier, der später zur Band gestoßen ist, als Trio. Das Buch endet mit: „Vermutlich wird das der letzte musikalische Auftritt gewesen sein. Aber wer weiß das schon?!“.

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