Ruhestand Eine nimmermüde Macherin sagt ade

Kleve · Adelheid Ackermann prägte 43 Jahre lang die Förderschule Haus Freudenberg. Nun verabschiedete sich die Rektorin in den Ruhestand – und zwar schweren Herzens. Die Corona-Krise stellte sie nochmals vor besondere Herausforderungen.

 Die Kinder der Förderschule Haus Freudenberg verabschieden Adelheid Ackermann mit Applaus in den Ruhestand.

Die Kinder der Förderschule Haus Freudenberg verabschieden Adelheid Ackermann mit Applaus in den Ruhestand.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Sprache formt das Denken. So ist es kaum verwunderlich, dass Adelheid Ackermann Wert darauf legt, Schulleiterin einer Förderschule zu sein – und eben nicht einer Sonderschule. „Die Namensänderung war ein wichtiger Paradigmenwechsel. Immerhin stellen wir als Förderschule die Stärken des Schülers in den Vordergrund, und nicht seine Schwächen“, sagt die 65-Jährige. Am Freitag, 26. Juni, erlebte sie ihren letzten Tag als Schulleiterin der Förderschule Haus Freudenberg. Nach 43 Jahren ist Adelheid „Heidi“ Ackermann nun Pensionärin. „Es fällt mir nicht leicht, zu gehen. Ich habe meinen Beruf und meine Schule geliebt“, sagt sie.

Am 22. August 1977 unterschreibt Ackermann den Arbeitsvertrag mit dem Land NRW. Als pädagogische Unterrichtshilfe nimmt sie ihre Tätigkeit an der Sonderschule für geistig Behinderte auf. Ackermann erlebt eine spannende Zeit des Umbruchs. Anfang der Achtzigerjahre waren noch längst nicht alle Kinder und Jugendliche mit Einschränkung auch schulpflichtig. So schreibt Ackermann an Konzepten mit, die auch all jene Schüler ins Visier nehmen, die keinen Gegenstandbezug haben, sich nicht artikulieren können oder kaum verstehbar sind. „Wir mussten lernen, diese Schüler zu unterrichten. Man erkennt schnell, dass man auf Details achten muss, wie etwa die Körpersprache, die Spannung der Haltung oder der Blick“, sagt Ackermann.

Einige Jahre danach dann lässt sie sich zur Fachlehrerin der Sonderschule ausbilden, wenig später beginnt sie das Studium der Sonderpädagogik in Köln – parallel zu ihrer Tätigkeit an der Förderschule des Kreises Kleve. „Die Schüler, mit denen wir zu tun haben, faszinieren mich seit jeher – insbesondere die Schüler mit schwerster Behinderung. Wie sie ihr Leben trotz Handicap meistern, nötigt mir höchsten Respekt ab“, sagt Ackermann. Es sei immer ihr Anspruch gewesen, die Zeichen der Zeit zu erkennen und sie zu gestalten. So engagierte sich Ackermann ab 1992 als Koordinatorin für das gemeinsame Lernen von behinderten und nicht-behinderten Kindern in der Grundschule.

Damals habe es sich gewissermaßen um ein Experiment gehandelt. „Es stand die Frage im Raum, ob Kinder im Inklusions-Unterricht genauso viel lernen wie im Regelunterricht. Wir haben bewiesen, dass das der Fall sein kann“, sagt Ackermann. Die Kleverin sei der Überzeugung, dass die soziale Akzeptanz anderer unter Schülern sehr viel ausgeprägter ist, wenn sie die Erfahrung der Inklusion gemacht haben. Doch Ackermann feilte nicht nur an theoretischen Konzepten. Sie packte auch an. So begleitete Ackermann etwa im Schuljahr 1997/1998 einen körperbehinderten Jungen zur sonderpädagogischen Unterstützung am Gymnasium in Kellen.

Zunehmend drängte sie auch in Verantwortung. Seit 2003 als Konrektorin im Dienst, wurde Ackermann 2014 zur Schulleiterin ernannt. „Ich habe in den vergangenen Jahren die Beobachtung gemacht, dass unsere Schüler selbstbewusster, aber auch fordernder geworden sind“, sagt Ackermann. Damit aber habe sie immer gut umgehen können, indem sie mit dem Kollegium Maßnahmen entwickelt habe, um methodisch-didaktische Unterrichtsantworten zu finden. „Diese Veränderungen mitgestalten zu dürfen, erfüllt mich mit großer Zufriedenheit. Die Schule ist gut aufgestellt für die Zukunft“, sagt sie.

Herausfordernd aber war die Corona-Krise. Anfang März sei die Schule gewissermaßen in eine „Schockstarre“ verfallen, man habe sich ganz neu aufstellen müssen. Über Online-Lernprogramme oder gar per Post hätten Lehrer Kontakt zu ihren Schülern gehalten. „Man kann die Leistung der Eltern von Kindern mit Einschränkung während der Krise gar nicht hoch genug einschätzen. Sie mussten den Ausfall der Schulzeit maßgeblich kompensieren“, sagt Ackermann.

Lieber hätte sie sich während des gewohnten Schulbetriebs verabschiedet. Eine große Abschiedsfeierlichkeit aber war nun undenkbar. Warme Worte gab es dennoch: „Als Schulleiterin erfüllst du alle Kriterien: Ideenreichtum, Überzeugungskraft, Durchsetzungsvermögen, Diplomatie und Einsatzbereitschaft. Ich habe nicht erlebt, dass du müde wirst, deine Zeit zum Wohle anderer zu investieren“, sagte Konrektorin Ute Schröder. Ackermann wolle, so sagt sie, der Schule treu bleiben – etwa als Vorsitzende des Fördervereins. Zudem werde sie sich noch stärker ehrenamtlich für die Lebenshilfe in Geldern einsetzen. „Und wenn ich realisiert habe, im Ruhestand angekommen zu sein, werde ich häufiger mit meinem Mann verreisen“, sagt sie.

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