Interview: Hans-Peter Feldmann Politik tut zu wenig für Hochwasserschutz

Kleve · Initiative mahnt: Das Ende von Sümpfungsmaßnahmen im Bergbau lässt für die Region neue Risiken entstehen.

niederrhein Neben den schönen gibt es auch beim Rhein dunkle Seiten: Hochwasser ist eine ständige Bedrohung für die Stromanlieger. Der Sprecher der Hochwasserschutz-Initiative am Niederrhein H.-Peter Feldmann aus Birten warnt seit Jahren vor zu geringen Schutzmaßnahmen.

Die Rheinische Post hat sich kürzlich in ihrer Sommer-Serie intensiv dem Rhein gewidmet. Was ist Ihr erster Gedanke, wenn das Stichwort Rhein fällt?

Feldmann Seit mehr als 15 Jahren befasse ich mich mittlerweile thematisch und öffentlich mit dem Risiko von Rheinhochwässern und damit den Gefahren für unser Gemeinwesen. Ich habe beim Stichwort Rhein zwei Seelen in der Brust: Den Rhein als mächtige Lebensader die ein wichtigen wirtschaftlichen und kulturellen Stellenwert in Deutschland und international hat. Und: Ein großer und mächtiger Strom für dessen Beherrschung verantwortliche Menschen noch kein Konzept haben.

Der Bundestag hat abschließend über Ihre Petition, mit Unterstützung von FBI-Xanten und der VWG-Kreis Wesel, und Ihre Forderung nach einer bundesweit einheitlichen Zuständigkeit bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung entschieden. In erster Linie wird auf die Zuständigkeit der Länder verwiesen, es wird aber auf das im Koalitionsvertrag vereinbarte "Nationale Hochwasserschutzprogramm" unter Ägide des Bundes eingegangen. Damit werde der Bitte nach einer stärker koordinierenden Rolle des Bundes auf dem Gebiet des Hochwasserschutzes entsprochen. Wie bewerten Sie die Entscheidung?

Feldmann Für uns als Antragsteller positiv, weil das Verständnis des nationalen Belangs offensichtlich bei der Bundesregierung angekommen ist. Wenn wir bedenken, dass der Petitionsausschuss des alten Bundestages bei seiner Entscheidung von 2013 die Meinung der NRW-Landesregierung folgte, indem behauptet wurde, dass es keine Defizite in Bezug auf Organisation und Verantwortung für die wasserwirtschaftlichen Aufgaben am Rhein in NRW gebe. Obschon das Umweltministerium NRW im Bericht zur Umsetzung des Hochwasserschutzkonzeptes von erheblichen Mängeln und Risiken bereits 2012 berichtet und von einem Sanierungsüberhang von 100 Deichkilometer spricht. Zum Verständnis: Der Rheinstrom in NRW hat eine Gesamtlänge von rund 200 Kilometern. Wir haben auf die erste Entscheidung von 2013 Einspruch erhoben. Unsere Argumente haben offensichtlich den Petitionsausschuss überzeugt. Uns stellt sich allerdings die Frage, wie das "Nationale Hochwasserschutzprogramm", es gilt ja für von Hochwasser betroffene kritische Infrastrukturen, mit Leben ausgestaltet wird.

Was befürchten Sie?

Feldmann Bisher gab es auch so genannte "Hochwasser-Aktions-Programme". Nur bei der Umsetzung standen oftmals Sicherheitserfordernisse nicht im Vordergrund, sondern statt Vorsorge und Schadensverhinderung bislang der ökologische Hochwasserschutz in NRW. Die kritische Abflussmenge am Rhein in NRW liegt weiterhin bei rund 12 000 Kubikmeter in der Sekunde. Dagegen ist das Bewusstsein in der Öffentlichkeit über die Zunahme des Schadenspotenzials, die Betroffenheit der Bewohner und den extremen Folgen für die Wirtschaft durch eine verharmlosende Landespolitik geprägt. Hier hat politisch ein Paradigmenwechsel stattzufinden.

Nun werden Sie nicht abwarten, bis das Hochwasser kommt. Was sind die nächsten Schritte der Initiative?

Feldmann Wir sind skeptisch, dass wohlmeinende "Programme" auch verpflichtende Komponenten enthalten, die Maßnahmen, Termine, Finanzierung und ein fachkundiges Management enthalten. Dabei geht es nicht nur um ausufernde Gewässer für die ein einheitliches Management erforderlich ist. Die Gefahren durch ansteigende kontaminierte Grundwasser infolge der Beendigung von Sümpfungsmaßnahmen im Steinkohlen- und Braunkohlenbergbau lässt für die gesamte Region neue unbeherrschbare Risiken entstehen. Es ist abzuwarten, welche Programme, Strategien und Konzepte die Bundesregierung bis zum Jahresende vorstellen wird.

DIRK MÖWIUS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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