Poetry Slam in Geldern Zeitgeist-Kritik mit Witz und Gefühl

Geldern · Viele politische Aufrufe und Beobachtungen gab es bei den achten Gelderner Stadtmeisterschaften. Die abwechslungsreichen Texte zeigten eindrucksvoll, dass die Slammer den Finger am Puls des Geschehens haben.

 Hannah Brüx wurde mit ihrem sphärischen Text „Wir sind Kometen!“ Zweite bei der Stadtmeisterschaft.

Hannah Brüx wurde mit ihrem sphärischen Text „Wir sind Kometen!“ Zweite bei der Stadtmeisterschaft.

Foto: Norbert Prümen (nop)

Es passte wunderbar: Bei den achten Gelderner Poetry-Slam-Stadtmeisterschaften traten auch gleichzeitig acht Menschen an, um sich bei diesem Dichterwettbewerb die Themen von der Seele zu reden und vielleicht am Ende das „Goldene Mikrofon“ zu bekommen. Die Tonhalle der Kreismusikschule war dabei am Freitag auch extrem gut besucht, wobei interessanterweise auch viele Zuschauer dabei waren, die zum ersten Mal solch ein Wort-Turnier sahen.

Der Abend startete mit Hannah Born aus Straelen und einem originellen Beitrag: „Warum ich meinen Poetry Slam Text niemandem je vortragen werde“. In diesem behandelte sie ihre Sorge auf der großen Bühne zu stehen und ihre Gedanken mit dem Publikum zu teilen. Ironischerweise machte genau dies ihren Beitrag zum perfekten Einstieg ins Programm, denn einen besseren Einblick in den Geist eines jungen Künstlers hätte man sich nicht vorstellen können. Aus Walbeck brachte Anne Hoverath ihre „Pi-Theorie“ mit, die mit einem mathematischen Rundumschlag zeigte, dass Zahlen der Brückenschlag sein können, um sowohl Justin Bieber, als auch die Titanic miteinander zu verbinden, während man beim Duschen über die Regeln des Rechnens nachdenkt.

Der Straelener Laurenz Thockock begann gleich mit einer kritischen Breitseite: „Politiker hangeln sich von Wahlen zu Wahlen und reden von Statistiken, die sie nicht verstehen?“ Er wolle nicht zu einer Generation zählen, die alles beim Alten gelassen hat: „Lasst uns eine Revolution starten!“ In eine ähnliche Richtung ging auch Leon Schink aus Kapellen, der reimte und bei seiner Bestandsaufnahme der Welt: „Hör auf zu denken in deinem Gefängnis, oder deiner Box.“ Die Wettenerin Bettina Pfeiffer beklagte, „dass mir ein Bild nicht mehr aus dem Kopf geht“. Bei diesem handelte es sich einen Moment, der ein Urlauberpärchen zeigte, während sich nur wenige Meter weiter erschöpfte Flüchtlinge an Land retten. Auch sie richtete einen Appell an die Zuhörer: „Den, den du im Spiegel siehst, bei dem muss man mit der Änderung anfangen.“

Bei all der portionierten Zeitgeistaufbereitung stammte der gelungenste Beitrag des Abends von Michael Schumacher aus Xanten, der nostalgisch von seinen Kindheitsmomenten in den Niederlanden erzählte. Seine Erinnerungen an abenteuerliche Autofahrten, Schokostreusel auf Weißbrot und Frikandeln brachten die Besucher zum Lachen und zum Schwärmen. Dann gab es noch zwei Vorträge: Hannah Brüx aus Straelen redete über Hass: „Der ist wie schwarzes Konfetti“, das sich zerstreut und an allem haften bleibt. Eike van Baal aus Nieukerk hatte zwei kleinere Texte dabei. Ein Gedicht und eine Warnung: „Wir arbeiten zu viel, um das Leben genießen zu können!“ Der von Jens Kotalla aus Münster moderierte Abend ging danach in die Pause. Zwischendurch gab es immer wieder Musik von einer Auskopplung der Big Band „Director’s Cut“ aus Straelen. Bevor die Finalisten auf der Bühne erschienen, redete die mehrfach ausgezeichnete Profi-Poetry-Slammerin Theresa Sperling aus Nordhorn über die Probleme und Schrecken der jungen „Fatma“, die vor Kinderhochzeit und Genitalverstümmelung flüchtete, um in Deutschland ein besseres Leben führen zu können. Den dritten Platz bei den Stadtmeisterschaften belegte Bettina Pfeiffer mit ihren Erinnerungen über ein an Krebs verstorbenes Kind, ganz knapp wurde Hannah Brüx Zweite, mit ihrem sphärischen Text „Wir sind Kometen!“. Den ersten Platz und das „Goldene Mikrofon“ der Goldschmiede Link bekam Michael Schumacher, der von seinen wilden Jugendjahren erzählte: „Manchmal sehne ich mich nach der Zeit, in der wir Jungs waren: Eine Gitarre, drei Akkorde, jeder konnte ein Held sein!“

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