Kreis Kleve Pfiffe gegen "diffamierende Kampagne"

Kreis Kleve · Etwa 250 Landwirte fuhren gestern mit mehr als 100 Schleppern zum Wahlkreisbüro von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks. Sie attackierten scharf die "Bauernregeln"-Kampagne, durch die sie sich verspottet fühlen.

 Der Vorsitzende der Kreis Klever Bauernschaft, Josef Peters, spricht vor seinen empörten Berufskollegen in Kleve.

Der Vorsitzende der Kreis Klever Bauernschaft, Josef Peters, spricht vor seinen empörten Berufskollegen in Kleve.

Foto: Gottfried Evers

Gerechnet hatten die Organisatoren mit vielleicht 100 Landwirten und 50 Traktoren - es wurden mindestens 250 Demonstranten und deutlich über 100 schwere Schlepper, die sich, aufgerufen von ihrem Berufsverband, gestern Vormittag am Rande der Klever Innenstadt einfanden. Nicht irgendwo, sondern vor dem Parteibüro der Kreis-SPD, das bekanntlich auch Barbara Hendricks' Wahlkreisbüro ist.

Und Hendricks ist diejenige, auf die sich der Zorn der Landwirte derzeit konzentriert: Sie, als Kleverin doch praktisch eine von ihnen, hat den kompletten Agrarbereich lächerlich gemacht, finden die Betroffenen. Die Plakatkampagne ihres Ministeriums hatte humorvoll sein sollen, doch von den "neuen Bauernregeln" fühlen sich die Landwirte nur auf die Schippe genommen. "Im preußischen Berlin ist der Umweltministerin wohl der feinsinnige rheinische Humor abhanden gekommen", mutmaßt Erich Jussen, Vizepräsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbands.

Bei allem Zorn auf die große Politik: Die Bauern aus der Region schlugen mit ähnlichen Mitteln zurück. Schon früher hatte ihr Berufsverband lustige Plakate (mit ernstem Hintergrund) drucken lassen, die den Protestlern jetzt zupass kamen: "Riechen, wie der Schinken schmeckt" steht da über einem dem Betrachter entgegen gereckten Schweinerüssel. Oder: "Ohne Bauern kein Essen". Aktuell gedichtet wurden Sprüche wie "Will ein Politiker in die erste Riege, machen die Fakten eine Biege". Kreislandwirt Josef Peters, immer für klare Worte gut, nutzte den Bühnen-Anhänger für die Redner quasi als Bütt. Statt "Tätä" bekräftigte seine Zuhörerschaft die Reime mit rhythmischen Pfiffen.

Die Landwirte sehen sich an den Pranger gestellt. Gülle verseucht das Grundwasser, in den Ställen wird der Tierschutz zu wenig beachtet, Gift auf den Feldern macht die Menschen krank - gegen solche pauschalen Feststellungen ziehen die Bauern zu Felde. "Redet mit uns, nicht über uns", steht auf einem Banner. Wie SPD-Kreis-Vorsitzender Norbert Killewald schon am Vortag mitgeteilt hatte, hat Barbara Hendricks in ihrer Funktion als Bundesministerin den Vorständen der Kreisbauernschaft Geldern, Kleve und des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes für den 21. Februar einen Gesprächstermin angeboten. "Damit soll die vom Anmelder der Demonstration versäumte Gelegenheit nachgeholt werden, vor einer Kundgebung zu einem Austausch zusammenzukommen."

Sehen ließen sich während der Kundgebung weder Hendricks, die wohl in Berlin weilte, noch Killewald. Lediglich Geschäftsführerin Lena Kamps nahm in ihrem Büro die Resolution entgegen. In dem Schreiben ist zu lesen, dass sich die Bauern "völlig zu Unrecht an den Pranger gestellt" fühlen. Ihre Leistungen für Gewässer, Natur, Klima und Naturschutz sehen sie nicht gewürdigt, vielmehr würden sie für Fehlentwicklungen im Agrarsektor verantwortlich gemacht, die die Politik doch selbst verursacht habe.

"Es reicht nicht aus, mit verkürzten Regeln einen diffusen gesellschaftlichen Diskurs anzustoßen", sagt in wohlgesetzten Worten die Verbandsspitze. Klaus Westerhoff aus Bedburg-Hau formuliert es einfacher: "Da werden Fakten verdreht und falsche Angaben weitergeleitet. Das ist übelster Populismus." "Geschmacklos" findet die Kampagne Josef Janssen, Landwirt aus Goch: "Auf dem Rücken anderer Stimmung zu machen und uns als Prügelknaben in eine Ecke zu stellen - so etwas gehört sich nicht."

Lukas Hinckens ist ein junger Bauer aus Uedem. Er hat sein Berufsleben noch vor sich, will die Zukunft seiner Zunft mitgestalten. "Die deutsche Umweltpolitik ist recht grün orientiert", sagt er, was ihn bei einer schwarz-roten Regierung wundere. Er sagt selbstbewusst: "Wir Landwirte denken auch grün, aber mit Augenmaß." Ob grün oder rot ("Politisch rot - des Bauern Tod"): Die Bauern wollen nicht für den Wahlkampf missbraucht werden. Oder wenn, dann ist wohl mit schmerzhafter Retourkutsche zu rechnen: Hendricks' Konterfei auf einem Plakat ist unterschrieben mit "Das Bauernsterben hat ein Gesicht." Hans Beenen aus Warbeyen trägt es selbstbewusst vor sich her, ebenso wie die vielen anderen jungen und älteren Demonstranten.

Vizepräsident Gussen findet es bedenklich, dass sich eine Ministerin im wahrsten Sinne des Wortes als "Sprücheklopferin" zeigt. Die Aktion diffamiere den ganzen Berufsstand: "Wir erwarten von der SPD eine Klarstellung und die sofortige Einstellung dieser Kampagne."

(RP)
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