Kandidaten und Konstellationen Wie man im Kreis Kleve strategisch wählen kann

Kreis Kleve · Kann man bei der Landtagswahl am kommenden Wochenende im Kreis Kleve strategisch wählen? Diese Frage ist umstritten – nicht erst seit diesem Jahr. Wir schauen uns Kandidaten und Konstellationen im Wahlkreis 55 Kleve II an.

 Wer wird neuer NRW-Ministerpräsident? Den Umfragen zufolge entscheidet es sich zwischen Thomas Kutschaty (SPD) und Hendrik Wüst (CDU).

Wer wird neuer NRW-Ministerpräsident? Den Umfragen zufolge entscheidet es sich zwischen Thomas Kutschaty (SPD) und Hendrik Wüst (CDU).

Foto: dpa/Oliver Berg

Kann man strategisch wählen – und sollte man das auch? Das ist eine Frage, die seit Jahren diskutiert wird. Im Fokus sind dabei Wechselwähler. Also Menschen, die nicht traditionell die immer gleiche Partei wählen. Wenn diese sich nicht aus Überzeugung durch ein Wahlprogramm für ein Kreuzchen entscheiden, sondern weil sie eine bestimmte Konstellation erreichen oder auch verhindern wollen, spricht man von strategischem Wählen. Dabei kommt auch Stimmen-Splitting ins Spiel: Man wählt mit der ersten Stimme also den Direktkandidaten einer Partei, mit der zweiten Stimme aber eine andere Partei.

Die Zeiten, in denen gezielt mit Zweitstimmenkampagnen um Wähler geworben wurde, sind aber vorbei: Im Jahr 2022 werben Kandidaten und Parteien sämtlicher Coleur sowohl um die Erst- als auch um die Zweitstimme. Wir haben uns verschiedene Konstellationen für den Wahlkreis 55 Kleve II (Bedburg-Hau, Emmerich am Rhein, Goch, Kleve, Kranenburg und Rees) angeschaut. Eine bestimmte Wahl-Empfehlung ist das ausdrücklich nicht.

Möglichst viele Abgeordnete aus dem Kreis Es gibt zwei Arten, in den Landtag einzuziehen. Wenn man mit den meisten Erststimmen als Direktkandidat gewählt wird – oder über die Landesliste der Partei. Der Kreis Kleve schickt aus seinen zwei Wahlkreisen jeweils einen, also insgesamt zwei Direktkandidaten als Abgeordnete nach Düsseldorf. Wer seine Stimmen aufteilt, könnte mit seiner Erststimme einem Direktkandidaten helfen, mit der Zweitstimme aber einem Kandidaten, der aller Voraussicht nach auf die Landesliste angewiesen ist.

Die größten Chancen auf den Gewinn des Direktmandates haben CDU und SPD. Für die CDU tritt im Wahlkreis 55 Kleve II Günther Bergmann an, für die SPD Christin Becker. Mit ihren Listenplätzen 34 und 80 setzen beide voll auf die Erststimme. Es gibt aber auch Kandidaten aus dem Kreis Kleve, die eine geringere Chance auf den Gewinn des Direktmandates haben, dafür aber einen einigermaßen aussichtsreichen Platz auf der Landesliste ihrer Partei. Für sie zählen dann vor allem die Zweitstimmen.

Da wäre zum einen Volkhard Wille von den Grünen. Er steht auf Platz 18 der Landesliste und kann sich angesichts der derzeitigen Umfragewerte für die Grünen schon mal an den Gedanken gewöhnen, künftig in Düsseldorf zu arbeiten.

Deutlich knapper ist es für Stephan Haupt von der FDP. Er schaffte es 2017 mit Listenplatz 27 gerade eben so in den Landtag – damals erreichte die FDP landesweit aber auch 12,6 Prozent. Derzeit liegen die Liberalen in Umfragen zwischen sieben und acht Prozent. Das spricht gegen einen erneuten Einzug. Für eine Verlängerung seines Mandats spricht, dass er nun mit Listenplatz 25 zwei Plätze weiter vorne steht und der Landtag zudem dieses Mal größer werden dürfte als noch 2017.

Sicher im Landtag ist Lutz Kühnen – wenn die Freien Wähler über die Fünf-Prozent-Hürde kommen. Der Kandidat aus Kalkar steht an Position zwei der Landesliste. Sein Problem: Von den fünf Prozent ist die Partei in Umfragen derzeit noch entfernt.

Die landespolitische Ebene Die Kostenpflichtiger Inhalt Landtagswahl wird immer mehr auch eine Ministerpräsidentenwahl. Dabei ist es relativ einfach: Wer auf jeden Fall Hendrik Wüst als Ministerpräsident sehen möchte, wählt CDU. Wer auf jeden Fall Thomas Kutschaty an der Spitze der nächsten Landesregierung sehen möchte, wählt SPD. Bei den Bündnissen ist es schon komplizierter, denn dort geht es eng zu. Es geht immer nur um wenige Prozentpunkte, aber: Legt man die jüngsten Umfragen von Insa, der Forschungsgruppe Wahlen und Infratest Dimap zugrunde, wäre in allen drei Fällen als einzige Zweierkonstellation in NRW eine schwarz-grüne Koalition möglich. Bei den Dreierbündnissen hätte laut allen Umfragen auch die Ampel (SPD, Grüne, FDP) eine Mehrheit. Rot-Grün hat lediglich in einer der drei Umfragen, nämlich bei der Forschungsgruppe Wahlen, eine Mehrheit, Schwarz-Gelb derzeit in keiner. Es kann deshalb für manche Anhänger einer Partei durchaus Sinn machen, nicht die eigene Farbe zu wählen, um ein präferiertes Bündnis zu erreichen. Wie genau, das hat mein Kollege Martin Kessler hier zusammengefasst.

Vielen Wähler überlassen solche Überlegungen freilich den Politikwissenschaftlern und Journalisten – und wählen rein aus politischer Überzeugung. Schließlich soll eine Wahl auch nicht zur Wissenschaft ausarten. Viele dürften ihre auch bereits getroffen haben: Anfang Mai meldete der Kreis, dass es doppelt so viele Briefwahlanträge gibt wie noch bei der Landtagswahl 2017.

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