Neues Konzept zur Berufsfindung Berufe selbst ausprobieren

Kleve · Unter dem Titel „Meet. Work. Match!“ hat das Klever Berufskolleg ein Konzept zur Berufsfindung entwickelt. 110 Betriebe trafen 670 Schüler.

 Mit einen Spezialanzug können die Workshopteilnehmer erfahren, wie es ist, unbeweglich zu sein.

Mit einen Spezialanzug können die Workshopteilnehmer erfahren, wie es ist, unbeweglich zu sein.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Wie finden Schülerinnen und Schüer den Beruf, der ihnen liegt und sie begeistert? Wie kommen Betriebe mit möglichen Auszubildenden ins Gespräch? Der Königsweg ist und bleibt der echte Einblick in die Praxis durch „Selber machen“.

Um dies zu verwirklichen, haben die Berufsschulen des Kreises Kleve (BKK) ein neues Konzept entwickelt und eine Plattform geschaffen, bei der Schüler und Schülerinnen mit Ausbildungsbetrieben „über das Tun“ in direkten Kontakt und Austausch kommen. Am Aktionstag unter dem Titel „Meet. Work. Match!“ kamen 110 Betriebe zum Berufskolleg nach Kleve und trafen 670 Schüler. Alle konnten im Vorfeld Workshops buchen, diese fanden dann in eigens eingerichteten „Berufsräumen“ im Gebäudekomplex an der Felix-Roeloffs-Straße statt.

Mehr als 55 Berufe aus den Bereichen Agrarwesen, Gesundheit, Ernährung, Gastronomie, Pflege, Technik und Wirtschaft stellten sich mit praktischen Übungen vor. Im Raum des katholischen Karl-Leisner-Klinikums-Kleve ging es zum Beispiel um den Beruf der Pflegefachkraft. Wie fühlt es sich an, wenn man durch Alter und verschiedene Krankheiten in seinen Bewegungen und den Sinneswahrnehmungen eingeschränkt ist? Das konnte anschaulich in einer Alterssimulation ausprobiert werden. Und auch wie man als Pfleger einer solchen Person hilft. „Das fühlt sich ganz komisch an“, sagt Schüler Tobias und schält sich wieder aus dem Simulationsanzug, der mit vielen Gewichten und Blockaden im Kniebereich ausgestattet war, sodass er kaum alleine von einem Stuhl aufstehen konnte. „Ich habe diesen Workshop gebucht, weil ich beruflich im Rettungswesen arbeiten möchte“, sagte er.

Ganz wichtig bei den Workshops waren die Auszubildenden. Marlene ist im zweiten Lehrjahr zur Pflegefachfrau und gibt an die Workshopteilnehmer ihre Erfahrungen weiter. „Das ist auf jeden Fall der richtige Beruf für mich. Man bekommt so viel positives Feedback zum Beispiel von den Patienten“, berichtete sie.

Der Schulleiter des BKK, Peter Wolters, nennt die vermittelnden Azubis „Eisbrecher“. Das Konzept, im Vorfeld einen Workshop zu buchen und dann daran teilzunehmen, sei besser als ein Messestand bei einer Ausbildungsbörse, wo man nur zuhöre und zuschaue, erklärte er. „Wir als Schule fördern gezielt die duale Ausbildung. Unser Konzept beruht auf „Dates“ zwischen Schüler und Betrieb. Ich bin gespannt und optimistisch, dass wir eine solche Aktion nicht nur einmal machen“, sagte Wolters.

Die Landrätin des Kreises Kleve, Silke Gorißen, hatte die Schirmherrschaft über den Aktionstag übernommen. „Das ist ein wichtiger Baustein in unserem Kampf gegen den Fachkräftemangel. Wichtig ist der Blick auf den individuellen Schüler, den wir auf diese Weise erreichen können. Das ist ganz im Sinn der Initiative „KAoA“ (Kein Abschluss ohne Anschluss)“, sagte sie. „KAoA“ ist eine Initiative des Landes Nordrhein-Westfalen, um Schüler und Schülerinnen bei ihrem Übergang von Schule zu Beruf zu helfen. Seit 2015 ist der Kreis Kleve mit dabei. Ein Schwerpunkt ist, die Attraktivität der dualen Ausbildung zu stärken und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

Das Buchen der Workshops war für die Schüler freiwillig. „Das war uns wichtig“, so Annette Vogt, die stellvertretende Schulleiterin. Merve Heynen, Personalreferentin der Firma Spectro Analytics, die mit einem Team die Berufe Industriekaufleute, Elektroingenieure für Geräte und Systeme sowie Fachkräfte für Lagerlogistik vorstellten, zeigte sich beeindruckt von dem gut funktionierenden neuen Ansatz. „Das klappt super, auch mit den Azubis als Vermittler. Wir können unseren Arbeitsalltag zeigen. Das Ganze sollte wiederholt werden“, sagte sie.

Die Vorbereitung der Berufsräume, Bereitstellung der Materialien und Simulationen war allerdings arbeitsintensiv für die Firmen und Schulen. In der Vorbereitung wurde eng zusammengearbeitet mit der Koordinatorin des Projekts, Katharina Kohnen, und ihrem Team. „Wir mussten viele Facetten berücksichtigen. Wie können wir alles darstellen? Welche Zeitsätze sind notwendig? Die Gastronomie zum Beispiel benötigte Zwei-Stunden-Blöcke, denn es sollte ja ein ganzes Menü zubereitet werden“, berichtete sie.

Berufe, bei denen man eher am Schreibtisch sitzt, waren in der praktischen Darstellung etwas schwieriger. Steuerfachangestellte zum Beispiel. „Steuerberatung ist eigentlich Lebensberatung. Die Lehrer hier hatten gute Ideen für praktische Beispiele. Wir brauchen in unserem Bereich viel mehr Azubis“, sagte Reinhard Verholen, der Vorsitzende der Steuerberaterkammer Düsseldorf. Zum Konzept „Meet. Work. Match!“ sagte er: „Mehr davon.“

Der Klever Wirtschaftsförderer Hans-Josef Kuypers betonte noch einmal den großen Bedarf an Fachkräften im Kreis. Er dankte der Schule und den teilnehmenden Unternehmen für das Engagement. Er nannte die Premiere von „Meet. Work. Match!“ einen „tollen Start“.

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