Kalkar-Wissel Neues Kleid für die Wisseler Dünen

Kalkar-Wissel · Mancher Anlieger hat sich erschreckt oder war sogar empört: Mit schwerem Gerät wurden in den Wisseler Dünen Bäume gerodet und Sträucher ausgerissen. Kann das Naturschutz sein? Ja, genau so muss das, sagen die Fachleute.

 Die Dünen sollen unter anderem von Gehölz befreit werden.

Die Dünen sollen unter anderem von Gehölz befreit werden.

Foto: Anja Settnik

Er kann es verstehen, dass einige Wisseler, die so gerne in diesem Gelände spazieren gehen, mit diesen Arbeiten gar nicht einverstanden sind. Aber die Maßnahme, die Teil des europäischen Projekts "Atlantische Seenlandschaften" ist, hat ökologisch durchaus Sinn, versichert Walter Ahrendt vom Naturschutzzentrum im Kreis Kleve. Denn das ganz besondere Biotop an der Wisseler Ortsgrenze wird auf diese Weise erhalten und entwickelt. Dass dafür radikale Methoden eingesetzt werden, darf man ruhig so benennen: "Radix ist lateinisch für Wurzel. Und tatsächlich geht es darum, Bäume und Sträucher, die dort nicht hin gehören, mit der Wurzel auszureißen. Würde man sie einfach nur absägen, wüchsen sie ja weiter. Und das ist nicht gewünscht."

Spitzmäuse, Erdkröten und Frösche, die im Erdreich überwintern, mögen das anders sehen. Aber in den Wisseler Dünen haben nicht sie, sondern weit seltenere Tiere und Pflanzen das Sagen. Im trockenen Sandrasen leben Sandbienen und Sand-Laufkäfer, die genau diesen Untergrund brauchen: trocken-warmen, ganztägig der Sonne ausgesetzte Flächen. Bäume, die lange Schatten werfen, stören dieses Habitat. Und wurden deshalb in den vergangenen Wochen sehr umfassend entfernt.

Einige Birken und Eichen blieben aber durchaus stehen. "Am Rand des Geländes ist da nicht so problematisch, und wir berücksichtigen ja auch ästhetische Aspekte", sagt Ahrendt. Wer in Wissel gerne läuft oder regelmäßig mit dem Hund raus muss, für den ist das einzigartige Schutzgebiet auch für die Freizeitgestaltung relevant. Wogegen die Naturschützer, die das Gebiet im Auftrag des Kreises Kleve seit mehr als 20 Jahren betreuen, nichts haben. Wer auf Wegen und Pfaden bleibt und den Hund an der Leine lässt, ist willkommen. Info-Tafeln versuchen, Besucher für die 80 Hektar karge Landschaft zu sensibilisieren. Die dort lebende sehr spezialisierte Flora und Fauna drohte in den vergangenen Jahrzehnten an einigen Stellen durch Grün, das da nicht hingehört, überwuchert zu werden. "Deshalb haben wir jetzt auf zwei Teilflächen Gehölze gerodet und an drei weiteren Stellen den verfilzten Magerrasen abgeschoben, um den darunter befindlichen Sandboden freizulegen", erklärt der Fachmann des Naturschutzzentrums. So ergebe sich wieder ein "Pionierstandort". Insgesamt sei gerade mal ein Prozent der Fläche betroffen.

Was nach wüstem "Kaputtmachen" aussieht, ist laut Walter Ahrendt so gewollt. "Wir haben alles mit dem Unternehmer genau besprochen. Unebenheiten im Bodenrelief sollen so bleiben, selbst die Fahrspuren und die Kanten, die beim Abplaggen des Rasens entstehen, sind so gewünscht." Denn solche Bereiche seien Mikrohabitate, die für manche Pflanzen genau der richtige Lebensraum seien. "Wir haben am Rand der Düne einzelne seltene Gehölze wie Kreuzdorn oder Weinrose geschont, sie dürfen als Solitärgehölze stehen bleiben." Auch Strandhafer, Knorpellatich und Feld-Beifuß, die in NRW stark gefährdet seien, können weiter wachsen.

Die prägende Pflanze der eigentlichen Sanddünen ist das Silbergras, im derzeitigen Frost besonders "silbern". Wenn dieses Gras unter herbeigewehtem Laub und Hums verschwindet, kann es nicht überleben. "Jahrhundertelang bis nach dem Zweiten Weltkrieg weidete Vieh in den Dünen und fraß alles aufkommende Grün weg. Seit das nicht mehr passiert, wachsen sehr langsam, aber kontinuierlich Sträucher und Bäume in die Höhe. Sie zerstören die empfindliche Lebensgemeinschaft der Fluss-Sanddüne", erklärt Ahrendt. Der Rhein hat im Mittelalter die Binnendüne aufgeweht und Wissel damit ein ganz besonderes Landschaftsschutzgebiet geschenkt.

(RP)
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