Theater „Ist das angeboren?“ – Theater zur Transidentität

Kleve · Neue Produktion des Theaters im Fluss zum Thema Transidentität

Die neue Produktion des Theaters im Fluss hat sich an ein hochaktuelles Thema gewagt. In „Charly oder was?“ entwickelte die 14-köpfige Jugendtheatergruppe Play unter Leitung von Yvonne Campbell Körner ein Stück über einen Jungen im Körper eines Mädchens. Da die Jugendlichen im Stück selbst eine Theatergruppe spielen, mischen sich Szenen aus Goethes „Faust“ und Oscar Wildes „Salome“ in die teils brutale Teenie-Realität.

Ganz früher hieß sie noch Kerstin, dann war sie auf einmal Charly und trug nur noch Jungsklamotten. Jetzt outet sich Charly (Theresa Wallwitz) offiziell als Junge, möchte nur noch Karl genannt werden und unterzieht sich einer Hormonbehandlung. Gleichzeitig ist sie/er aber auch der Star der Schultheatergruppe und soll in Oscar Wildes Stück „Salome“ die (weibliche!) Hauptrolle spielen. Mit dieser kann sich Karl nun beim besten Willen nicht mehr identifizieren – doch das ist nur eins von vielen Problemen, mit denen er seit seinem Coming Out zu kämpfen hat. Es ist kompliziert.

Im neuen Stück des Theaters im Fluss erhält der Zuschauer eine beklemmende Ahnung davon, was ein transidenter Jugendlicher durchmacht. Die kluge Inszenierung zeigt nicht nur schwarz-weiße Positionen – auch wenn sich die Vierzehn aus theaterpraktischen Gründen aufteilen in die „Pros“ und die „Contras“, die für einen wichtigen Auftritt in London Szenen aus Goethes und Wildes Klassikern einstudieren müssen.

Charlys beste Freundin Anna etwa (berührend: Lilli Evers) will eigentlich zu ihm halten, ist aber selbst verunsichert, wie sie mit diesem neuen Menschen umgehen soll. Tim (Joshua Nijenhof) hat sich in das Mädchen Charly verliebt und fragt sich, was er nun mit diesem Gefühl machen soll. Addy (Luna Bienemann) beteiligt sich zwar an den fiesen Mobbing-Aktionen der Contras, gehört aber als Farbige ebenfalls einer Minderheit an und weiß genau, wie sich Diskriminierung anfühlt. „Im Dritten Reich wären Charly und ich womöglich im selben Lager gelandet“, spuckt sie ihren Kumpels einmal wütend ins Gesicht.

Durch die eingeflochtenen Szenen aus „Faust“ und „Salome“ entsteht ein spannendes Spiel mit den Ebenen. Die sonst etwas eindimensionalen Contras blühen regelrecht auf, wenn sie die erhabenen Goetheschen Verse rezitieren (besonders gelungen: Michel Frooleyks und Esther Simon als zweigeteilter Mephistopheles). Charly und Max (Arthur Reschke) brillieren zunächst auf der Bühne als Salome und Prophet Jochanaan, bevor sie dann ganz privat über Identität, Zweifel und Mut sprechen – authentisch und überzeugend auch in ihren Teenagerrollen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort