Ausstellung Ein neuer Blick auf Altkalkar

KALKAR · Im Museum Kalkar ist jetzt eine Ausstellung zu sehen, die den Kalkarer Ortsteil, der näher als jeder andere am „Stadtkern“ liegt, zum Gegenstand hat. Den Grundstock bietet die Sammlung von Josef Boßmann (90).

 Altkalkar

Altkalkar

Foto: Anja Settnik

Mit der Geschwisterliebe ist das so eine Sache. Tief und irgendwie unzerstörbar soll sie sein, aber an der Oberfläche doch oft von allerlei Problemen beherrscht – Neid und Eifersucht spielen da eine Hauptrolle. Bei Kalkar und Altkalkar ist das ganz ähnlich, findet Karl-Ludwig van Dornick, der Vereinsvorsitzende der Freunde Kalkars. In seiner Rede anlässlich der neuen Ausstellung im Museum Kalkar betonte er, dass es hoffentlich gelungen sei, mit der Präsentation, an der der Altkalkarer Josef Boßmann und der „Verein Monterberg“ großen Anteil haben, „das bisherige Denkschema Altkalkar/Kalkar“ positiv zu verändern. Der Ortsteil um die St.-Pankratius-Kirche wird heute häufig mit den Bausünden vergangener Jahrzehnte gleichgesetzt, dabei zeigt Altkalkar auch heute noch durchaus andere Seiten. Mal ganz abgesehen davon, dass dort rund 4370 Menschen wohnen, während im Zentrum gerade mal 2040 Männer, Frauen und Kinder ansässig sind.

„Ehe Kalkar war, bin ich“ hat der Verein der Freunde die aktuelle Ausstellung überschrieben. Eine etwas eigenwillige Grammatik, aber es handelt sich schließlich um die Anlehnung an ein literarisches Zitat. Im Johannes-Evangelium des Neuen Testaments beansprucht Christus bei den Phariäsern die Priorität vor dem verehrten Propheten Abraham – damals, vor 2000 Jahren, eine unerhörte Provokation. Und damit gut geeignet für die Situation Kalkar/Altkalkar, findet van Doornick. Viele Fotos, darunter einige, die ein Früher/Heute zeigen, dazu Karten, Gemälde, etwas landwirtschaftliches Gerät und Relikte aus der Frühzeit wurden zusammengetragen und sind bei freiem Eintritt den Sommer über täglich (montags nur am Vormittag) zu sehen.

Wie so oft im Rheinland waren es auch im Fall Kalkar die Römer, die die Gegend früh besiedelten. Die Festung „Burginatium“, deren übriggebliebene Steine später für den Bau der Nicolaikirche verwendet wurden, entstand, außerdem dörfliche Strukturen. Auf der „Spitze“ des Monrebergs wurde aus einer Motte die spätere Monterburg; auch sie und die heutigen Bestrebungen, ihre Spuren für die Nachwelt erlebbar zu machen, gehören zur Ausstellung. Gerade erst wurden in einem benachbarten Garten Teile alter Säulen entdeckt, die von der Burg stammen sollen. Für den 90-jährigen Josef Boßmann ist die Historie zwar interessant, noch viel mehr beschäftigt ihn allerdings die jüngere Vergangenheit, an der er schließlich schon ziemlich lange Zeit teil hat. In Altkalkar geboren – ebenso wie Hubert Umbach vom Verein der Freunde – erinnert er sich schmunzelnd an die gehätschelten Feindseligkeiten zwischen Kalkarern und Altkalkerern. „Wenn die Jungs aus Altkalkar der Grenze zu Kalkar zu nahe kamen, gab’s schon mal Prügel, und bei der Prozession wurde der ,Himmel‘ an der Ecke abgesetzt, damit ihn die Männer von der anderen Seite übernehmen konnten, wenn sie das wollten.“ Heute verbindet ein Kreisverkehr die beiden Stadtteile, damals markierte eine Kreuzung die Grenze. Eigene Dorfschule, eigene Kirche, eigene Vereine – Altkalkar war (und ist) nicht Kalkar.

„Josef Boßmann ist ein wandelndes Archiv“, sagt Hubert Umbach, der selbst schon einige Jahrzehnte auf die Welt guckt, im Verglich zu dem 90-Jährigen aber einige Wissenslücken hat. Die Zeit zwischen den Kriegen etwa ist Boßmann noch gut gegenwärtig. Damals gab es noch jede Menge Landwirtschaft in Altkalkar, eine Eier-Versteigerung (produziert wurden sie auf Haus Horst) und diverse Bierbrauereien. Das Hochwasser von 1926 ist im Bild festgehalten, der Bahnhof, die Futtermittelfirma Leeuw, das alte Sägewerk, die Niederrheinische Holzhandlung mit urigen Lastwagen. Ein Messgewand von 1450, von Pastor van Doornick ebenso wie die Tür zur Orgelempore von St. Nicolai ausgeliehen, weil sie den Heiligen Pankratius zeigt, sind echte Hingucker. Auch eine hölzerne Karre, Klompen und ein „Kalkarer Maß“ sind Aspekte des früheren Altkalkar, das eben Landleben pur war. Einige Jahre allerdings zog die Ortschaft tausende Ausflügler an: als nämlich die Kalkarer Freilichtspiele Jahr für Jahr die Katholiken auf den Hügel nahe des heutigen „Haus Manier“ an der Xantener Straße lockten. Die Nationalsozialisten machten dem frommen Schauspiel ein Ende.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort