Erinnerung an den Brüter Nach 23 Jahren gibt es eine Neuauflage des Films „23“

Kalkar · Neuauflage eines guten Films: Eine neue Blu-ray erinnert an die Dreharbeiten am Schnellen Brüter in Kalkar. Aktive Atomkraftwerke wollten sich nicht als Drehort zur Verfügung stellen.

Gedreht wurde am „Brüter“ in Kalkar, der bekanntlich heutzutage ein Freizeitpark ist.

Gedreht wurde am „Brüter“ in Kalkar, der bekanntlich heutzutage ein Freizeitpark ist.

Foto: dpa/Marcel Kusch

Die „Süddeutsche Zeitung“ lobte ihn 1998 als den „ersten Film seit langem, den man uneingeschränkt gut finden kann.“ Gemeint war Hans-Christian Schmids Kinothriller „23“, der die tragische Geschichte des Hannoveraner Computer-Hackers Karl Koch erzählte. Und der unter anderem am Brüter in Kalkar gedreht wurde. Seine digitalen Ausflüge in die Systeme von Waffenfirmen und Kernkraftwerken, gepaart mit seiner Obsession für die Buchreihe „Illuminati“ und die vermeintlich magische Zahl 23, brachten ihn ins Visier der Geheimdienste und Sensationsjournalisten. Karl Koch starb am 23. Mai 1989 mit 23 Jahren, vermutlich durch Selbstmord.

Es ist kein Zufall, dass die Münsteraner Turbine Medien GmbH dieses kleine Meisterwerk ausgerechnet jetzt in restaurierter Fassung und erstmals auf Blu-ray veröffentlicht: Denn „23“ feierte vor 23 Jahren auf dem Münchner Filmfest Premiere. Die Blu-ray erscheint nun am 14. September (14 + 9 = 23) und enthält neben Interviews und Drehberichten auch ein Begleitbuch mit der Entstehungsgeschichte. Mit dabei ist das Wunderland Kalkar, weil der Brüter  1997 ein wichtiger Drehort für die Anfangsszene des Films war.

Regisseur Hans-Christian Schmid, damals Anfang 30, und die ebenfalls jungen Produzenten Jakob Claussen und Thomas Wöbke („Jenseits der Stille“) suchten eine authentische Kulisse, um die Proteste gegen das Atomkraftwerk Brokdorf nachzustellen. „Es gab damals fast keine stillgelegten Atomkraftwerke, und die Stromanbieter waren nicht darauf erpicht, dass auf ihrem Gelände eine Demonstration nachgestellt wurde“, erinnert sich Produzent Jakob Claussen. Da war es eine glückliche Fügung, dass der Niederländer Hennie van der Most gerade die Investitionsruine am Rhein gekauft hatte. Er sagte den Filmemachern jede Unterstützung zu und freute sich über die Einnahmen aus der Vermietung.

Eine Schar junger Komparsen trug Parka, Protestschilder und zum Teil auch Papiermasken mit dem Gesicht des damaligen Bundesinnenministers Friedrich Zimmermann. Windmaschinen simulierten nicht vorhandene Polizeihubschrauber und wirbelten Staub und Flugblätter auf. Vor dem grauen Kühlturm (damals noch ohne buntes Alpen-Panorama) errichtete die Szenenbildnerin einen Metallzaun, über den Karl Koch (dargestellt von August Diehl) klettern will, bis ihn der Strahl eines Wasserwerfers  zu Boden reißt. „Die Szene macht ordentlich was her und verleiht dem Start des Films viel Authentizität“, sagt Produzent Thomas Wöbke im Audiokommentar der Blu-ray. Dass „23“ zum Teil in Nordrhein-Westfalen gedreht wurde, liegt auch daran, dass die Filmstiftung NRW Fördergelder für das ambitionierte Projekt zahlte. Auch der FilmFernsehFonds Bayern und die Filmförderungsanstalt Berlin stellten Mittel zur Verfügung. Man habe versucht, das Hannover der 80er-Jahre im Köln und München der 90er-Jahre zu behaupten.

 Der Film gewann den Deutschen Filmpreis in Silber (Gold ging an „Lola rennt“) und lockte fast 700.000 Zuschauer in die Kinos. Hauptdarsteller August Diehl sagt in einem 2020 geführten Interview auf der Blu-ray: „23 war der allererste Film, den ich gemacht habe, und ist immer noch einer der Filme, auf die ich am allerstolzesten bin.“ Der Shootingstar arbeitete danach mit Regisseuren wie Peter Zadek, Luc Bondy, Leander Haußmann, Heinrich Breloer, Quentin Tarantino, Phillip Noyce und Terrence Malick zusammen. 2016 kehrte August Diehl noch einmal in unsere Region zurück: Für seine Titelrolle in „Der junge Karl Marx“ drehte er im LWL-Industriemuseum TextilWerk in Bocholt.

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