Kleve Mit Zugseilen ins Gleichgewicht

Kleve · Nach dem Befund hatten die Statiker des Aachener Büros Kempen-Krause das Wort, die seit Jahren auch am Dom in Xanten tätig sind. Fest stand bald: Der schadhafte Teil des Pfeilers, der zig Tonnen Gewicht schultert, muss abgetragen werden. Doch wie sollte man die Standsicherheit des Bauwerks dann sichern? Vorbilder für die nötigen Arbeiten mit dem Abtragen eines Pfeilers gebe es nicht, so Johannes Schubert.

Nach Vorgaben der Tragwerksplaner wurden schließlich zwei von der Kölner Dombauhütte geliehene Parafilseile durch das Mittelschiff bis zum Schwesternpfeiler auf der anderen Seite des Doms gespannt. Zwischen den zwei Seilen verläuft eine sogenannte Lastverteilungstraversale. Mit dieser Vorrichtung können die Kräfte ins Gleichgewicht "gespannt" werden. Eine knifflige, genau berechnete Angelegenheit, die bis in kleinste Gradbereiche hinein ausgeglichen bleiben muss. Auf einen Bildschirm in der Dombauhütte und selbst auf Schuberts Handy werden die Daten Tag und Nacht übertragen, damit im Notfall die Seile nachgespannt oder gelockert werden können. Schon das Lösen des Bauwerks vom Stützpfeiler, bei dem die Seile bis zu zehn Zentimeter nachgespannt werden mussten, war deshalb unglaublich spannend. Der entgegengesetzte Akt wird es mit Sicherheit auch.

Noch arbeiten die Steinmetze der Dombauhütte in luftiger Höhe und mit weitem Blick über die Stadt mit Presslufthammer, schweren elektrischen Seilwinden, Laufkatze und Aufzug an dem Pfeiler. Nach dem Abtragen der 500 Mantelsteine mit einem Gesamtgewicht von 20 Tonnen, die auf dem Pflaster der Immunität lagern, geht es wieder aufwärts - mit den alten, dann gesäuberten Mantelsteinen, einer regelgerechten Füllung aus Ziegelsteinen und Mörtel sowie einem am Ort entwickelten Fugenkleber, "Xanten spezial" genannt.

"Wir lernen hier jede Menge über das Entstehen von Schäden und Möglichkeiten der Schadensbehebung", sagt Schubert. Das Interesse, auch das seiner Kollegen, sei jedenfalls riesig. Diese können aber erst nach Beendigung der Arbeiten zur Fach-Besichtigung kommen.

(RP)
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