Kleve Michael Reisch: Den Zufall ausgeschaltet

Kleve · Die Werke des Fotografen im Museum Kurhaus sind vor allem eines: kompromisslos. Die Natur wird den ästhetischen Ansprüchen Reischs angepasst, bei seinen neuesten Arbeiten kommt er sogar vollends ohne gegenständliches Motiv aus.

 Durch die Hängung im Museum Kurhaus entfalten die radikalen Bilder von Michael Reisch eine komplett neue Wirkung. Sie erhalten installativen Charakter, nehmen den Raum in Anspruch.

Durch die Hängung im Museum Kurhaus entfalten die radikalen Bilder von Michael Reisch eine komplett neue Wirkung. Sie erhalten installativen Charakter, nehmen den Raum in Anspruch.

Foto: Gottfried Evers

Wie objektiv können Fotografien sein? Und frisst die digitale Bearbeitung das eigentliche Motiv an – oder gar auf? Der aus Aachen stammende Fotograf Michael Reisch beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit der Frage nach dem Objektivitätsanspruch der Fotografie. Er zeigt, wie auch natürlich wirkende Arbeiten konstruiert sein können, und bricht mit den Konventionen des technisch erzeugten Bildes. Getrieben von tief verwurzelter Skepsis bearbeitet Reisch Landschafts-Fotografien digital nach – strafft deren Geometrie, bereinigt sie. "Reisch hat Bildhauerei studiert und geht mit seinem Rohmaterial um wie ein Bildhauer mit Ton: er modeliert", sagt Roland Mönig, Kustos des Museums Kurhaus.

Nichts Zufälliges ist in den komponierten Werken des Künstlers zu finden. Die Silhouetten von Felsklippen gleichen sich präzise dem Horizont an, das Matterhorn wird zum gleichmäßigen Dreieck geschliffen. "Je länger er so arbeitet, desto radikaler wird er dabei", sagt Mönig. Was der Kustos meint, ist in der Galerie des Museums zu sehen. Reischs neueste Arbeiten werden dort erstmals als geschlossene Gruppe gezeigt. Bilder, in denen er komplett auf das gegenständliche Motiv verzichtet. "Reisch geht auf volles Risiko", sagt Mönig. Schwarz und weiß, Licht und Schatten wechseln sich ab. "Rein technisch gesehen handelt es sich aber immer noch um Fotografien", sagt Mönig. Inhaltlich treten die Arbeiten eher in eine Reihe mit Werken der konkreten oder minimalistischen Kunst.

Eine komplett neue Wirkung entfalten die Bilder in ihrer besonderen Hängung in Kleve. Motive spiegeln sich – dank Spezialglas – stark in den gegenüber hängenden Arbeiten, nehmen den kompletten Raum in Anspruch. Zufall könnte man meinen. Den Zufall aber hat Michael Reisch ausgeschaltet. "Seit Carl Andre hatten wir kaum eine reduziertere, radikalere und eingreifendere Ausstellung als diese", sagt Roland Mönig. Die Fotografien scheinen sich zur Installation zu wandeln. Auf der einen Seite Arbeiten aus allein geometrischen Formen, dem gegenüber Stauchungen, die an Seide oder dünnes Blech erinnern, das Falten wirft. Tatsächlich handelt es sich schlicht um Modulation aus schwarzen, weißen und grauen Elementen.

Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen. Auch bei diesem geht Reisch auf "volles Risiko", wie Mönig sagt. Der Umschlag scheinbar verdreht, viele der Bilder in ihrer Hängung aufgenommen. "Michael Reisch – Selected Works", 96 Seiten im Hardcover mit Schutzumschlag ist für 22,50 Euro im Museumsladen erhältlich. Die Ausstellung läuft bis zum 24. November.

(lukra)
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