Kalkar/Kleve "Mein Kind ist ein Problem"

Nach dem Vandalismusfall von Kalkar, bei dem Jugendliche 103 Fahrzeuge beschädigten, meldet sich der Vater eines "Problemkindes" zu Wort. Er kritisiert die Behörden, fühlt sich allein gelassen und fordert ein Ende der Ignoranz.

 Eduard Großkämper wertet die Kreis-Jugendarbeit positiv.

Eduard Großkämper wertet die Kreis-Jugendarbeit positiv.

Foto: Evers

Holger Franke-Schmittkamp hatte stets den Anspruch, eine kleine glückliche Familie durchs Leben zu führen. Als Ernährer, als Vater, als Erziehungsberechtiger. Bei der ersten Tochter lief alles glatt. Sie ist Mitte 20, hat Holger Franke-Schmittkamp zum glücklichen Opa gemacht, und lebt ein erfülltes Leben. Bei der zweiten Tochter ist alles schief gelaufen. Nach einer schlimmen Erfahrung klinkte sie sich aus der Familie aus, wurde erst problematisch, dann straffällig, sie lebt ein Leben außerhalb bürgerlicher Vorstellungen. Franke-Schmittkamp musste seine Ansprüche überdenken. "Mir reicht es schon, wenn morgens nicht der Staatsschutz vor der Tür steht."

Schlimmste Niederlage

Der Grund, warum der 48-Jährige seine schlimmste Niederlage öffentlich macht, liegt in seiner neu entfachten Wut. Gestern las Franke-Schmittkamp in der RP, was Fachbereichsleiter Andreas Stechling und der Steetworker der Stadt, Kalkar, Peter Holderberg, über problematische Jugendliche in ihrem Beritt denken: Sie gibt es gar nicht. "Wenn ich so etwas lese, kommt mir die Galle hoch. Natürlich gibt es in Kalkar problematische Jugendliche, doch niemand will das wahrhaben", sagt der Chemiefacharbeiter. "Wer so etwas öffentlich sagt, stört das Bild einer beschaulichen Stadt mit Golfplatz und Wallfahrt." Franke-Schmittkamp fühlt sich und seine Familie allein gelassen: "Wir sind bei den Behörden gegen Wände gelaufen, haben desinteressierte Sachbearbeiter getroffen und sollen akzeptieren, dass unserer Tochter nicht zu helfen ist."

So seien Termine nicht eingehalten, psychologische Gutachten ignoriert und Fragen mit dem Verweis auf fehlende Mittel übergangen worden. Zum konkreten Fall wollte sich gestern auf RP-Anfrage weder der Kreis als Träger des Jugendamtes, noch die mit dem Fall betraute Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie der LVR-Klinik in Bedburg-Hau äußern. "Grundsätzlich gilt allerdings, dass alle Maßnahmen, die das Jugendamt vorschlägt, eine Kooperation der Familie und des Kindes voraussetzen", sagt Kreissprecher Eduard Großkämper. Das Frühwarnsystem funktioniere prächtig. "Dennoch bleibt festzuhalten, dass es im Kreisgebiet problematische Bereiche gibt", räumt Großkämper ein.

Vorwürfe

Holger Franke-Schmittkamp wirft dem Jugendamt vor, die von Psychologen verordneten Maßnahmen nicht umgesetzt zu haben. Die LVR-Klinik hüllt sich dazu in Schweigen. Man wolle sich die tägliche Zusammenarbeit nicht durch Kritik erschweren, heißt es aus dem Büro der Chefärztin.

Auch die 15-Jährige, die am Wochenende mit Gleichaltrigen mehr als 100 Fahrzeuge in Kalkar beschädigte, war dem Kreisjugendamt bekannt. "Erst wenige Tage vor der Tat gab es Gespräche. Eine solche Eskalation konnten die Mitarbeiter nicht erwarten", sagt Großkämper.

(jul)
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