Kaufkraft Kleve boomt

Kleve · Die Industrie- und Handelskammer hat ihre neusten Zahlen zur Kaufkraft in der Region vorgelegt. Die Stadt Kleve hat einen Wert, so gut wie kaum eine andere Stadt in ganz Deutschland. Es gibt allerdings auch kritische Stimmen.

 Kein seltenes Bild, mitten in Kleve: Die Große Straße voller Menschen.

Kein seltenes Bild, mitten in Kleve: Die Große Straße voller Menschen.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Diese Zahl ist zwar nicht ganz einfach zu verstehen, aber sie verkündet gute Nachrichten. 170 – so lautet die aktuelle Zentralitätskennziffer der Stadt Kleve. Das bedeutet: Es fließt weitaus mehr Kaufkraft in die Schwanenstadt ein, als aus ihr hinaus fließt. Mit anderen Worten: Kleve wirkt sehr anziehend auf Bürger aus den Nachbarkommunen, auch aus dem benachbarten Ausland. Und die Klever haben sehen wenig Gründe, in anderen Kommunen einzukaufen. Seit vielen Jahren ist das so, aber so hoch wie aktuell war die Zentralitätskennziffer noch nie.

Bei der Industrie- und Handelkammer (IHK) Niederrhein ist man hoch erfreut über diese Entwicklung. „Die Stadt Kleve ist in unserem gesamten Bezirk ganz weit vorn“, sagt Michael Rüscher von der IHK-Geschäftsführung. Der Klever Wirtschaftsförderer Joachim Rasch, zieht den Kreis noch viel größer. „Das ist sensationell. Meines Wissens gibt es in ganz Deutschland nur eine handvoll Kommunen, die eine solch hohe Kennzahl vorweisen können.“ Doch woran liegt das? Für Rüscher ist es die Atmosphäre in den Innenstadt, die gerade auf Auswärtige eine „magnetische Wirkung“ habe. „Kleve punktet mit einem quantitativ und qualitativ starken Angebot. In der Innenstadt mit der Schwanenburg, aber auch in den Randbereichen wie der Kavarinerstraße ist es vor allen Dingen aber auch sehr idyllisch“, findet der Experte. Kleve als Mittelstadt habe im Einzelhandel eine Bedeutung erlangt wie sonst meist nur Oberzentren. Das würde natürlich auch bei den Konzernen registriert. „Der Kaufhof beispielsweise, der in Kleve eine Filiale hat, geht normalerweise nicht in Mittelzentren.“

Aber Rüscher betont auch: „Auf der hohen Zentralitätskennziffer darf man sich nicht ausruhen. Der Handel gerät weiter unter Druck, gerade nach der Auflösung der Händlervereinigung Klever Citynetzwerk (KCN).“ Als klar war, dass das KCN sich auflösen würde, habe die IHK der Gesellschaft für Wirtschaft, Tourismus und Marketing (WTM) Vorschläge gemacht, wie der Verlust aufgefangen werden könnte. Ein Ergebnis war, dass Arbeitskreise eingerichtet wurden, an denen sich WTM und einige Händler beteiligen. „Jetzt kommt es darauf an, dass Ergebnisse erzielt werden. Da muss abgeliefert werden“, fordert Rüscher.

Susanne Rexing, Inhaberin eines Einrichtungsgeschäfts an der Kavarinerstraße, ist in einem solchen Arbeitskreis aktiv. Sie schildert, woran gerade gearbeitet wird: „Wir wollen Immobilienbesitzer dafür begeistern, ihre Fassaden zu renovieren, damit die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt besser wird. Außerdem ist das Ziel, mehr und eine einheitliche Beleuchtung in die Stadt zu bringen. Ein weiteres Ziel ist es, den Kunden zu mehr Orientierung zu verhelfen, damit sie nicht nur die Große Straße rauf und runter gehen, sondern auch die Gasthaus- und Kavarinerstraße besuchen.“ Bei der hohen Zentralitätskennziffer hat sie übrigens ganz genau hingeschaut. „Vor allem die Supermärkte und Discounter sorgen für die hohe Kennziffer“, sagt sie. Es sei also bei weitem nicht nur das Angebot in der Innenstadt, das die Kunden nach Kleve lockt. Deswegen ist Rexing auch dafür, dass die Verwaltung mehr Einfluss darauf nimmt, welche Geschäfte sich in der Innenstadt ansiedeln. „Ich bin ein Freund von Gestaltungsregelungen. Die schaffen ein harmonisches Gesamtbild“, sagt sie. Rexing hat auch einen ganz konkreten Vorschlag: „Die Stadt sollte Vermietern, die an Geschäftsleute mit einem attraktiven und für die Atmosphäre in der Stadt guten Angebot verpachten, finanziell entgegenkommen. Diese können nämlich in der Regel nicht so viel Miete zahlen wie Billigläden.“ Doch wer entscheidet, was attraktiv ist? „Das kann jeder mit einem gesunden Menschenverstand“, sagt Rexing. „Unserer Wirtschaftsförderer Joachim Rasch könnte das beaufsichtigen.“

Für Rasch liegt die Priorität derzeit an anderer Stelle. „Das Ziel der Arbeitskreise sollte vor vor allem sein, dass sich wieder eine Händlervereinigung gründet. Die Verwaltung kann das nicht alles alleine machen. Und die Aufgaben sich groß: Die Disruption im Handel wird auch an Kleve nicht vorbei gehen. Der Online-Handel nimmt stetig zu, das wird auch so weitergehen.“ Dem müsse man entgegensteuern. Dazu sei es wichtig, seine Stärken und Schwächen genau zu kennen. „In Wahrheit wissen wir gar nicht genau, warum gerade die Niederländer so gerne zu uns kommen. Wir vermuten, dass das an den so genannten weichen Standortfaktoren liegt“, sagt Joachim Rasch. Dazu zähle etwa, dass viele Kunden aus den Niederländen in den Klever Geschäften in ihrer Sprache begrüßt würden.

Rasch ist guter Dinge, dass aus den Vermutungen bald Gewissheit wird. Der Wirtschaftsförderer berichtet von einer Studentin aus Münster, die ihre Masterarbeit über Kleve schreiben will. Darin soll es explizit um die Frage gehen, was die Niederländer nach Kleve lockt. Wenn die Arbeit zu einem Ergebnis kommt, so seine Hoffnung, könnte die Zahl 170 zukünftig noch gesteigert werden.

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