Kleve/Geldern Mammutprozess auf der Schwanenburg

Kleve/Geldern · Bis zum Sommer ist die Verhandlung gegen zwei mutmaßliche Schlüsseldienstbetrüger angesetzt. Mehr als 100 Zeugen sollen dafür gehört werden. Direkt zu Beginn der Verhandlung kam es aber zu einer ersten Panne.

Hinter der Kamera: Staatsanwalt Hendrik Timmer.

Hinter der Kamera: Staatsanwalt Hendrik Timmer.

Foto: Evers Gottfried

So ein großer Medienandrang herrscht selten im Saal A 105 am Klever Landgericht. Allein die Umstände machen deutlich, warum: Seit 2012 hatte die hiesige Staatsanwaltschaft ermittelt, über 100 Zeugen sind zu den 28 Terminen bis Juli dieses Jahres auf die Schwanenburg geladen. Gestern ging er dann los, der erste Tag im Mammutprozess gegen die beiden mutmaßlichen Köpfe des - nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft - betrügerischen Schlüsseldienst-Imperiums, das sie von Geldern aus geleitet haben sollen.

Einen offiziellen Firmensitz gab es zwar in Düsseldorf, tatsächlich aber wurde das Geschäft von Geldern aus geführt, führte Staatsanwalt Hendrik Timmer aus: Erst war die Adresse an der Hartstraße, seit 2009 am Grüner Weg. Die beiden mutmaßlichen Köpfe des Geschäfts sitzen seit ihrer Festnahme im August 2016 in Untersuchungshaft. Nun wurden sie in Handschellen und von ihren Verteidigern eskortiert in den Gerichtssaal geführt. Eingerahmt von jeweils zwei Anwälten nahmen sie auf der Anklagebank Platz. Beide wirkten angestrengt, aber konzentriert; sie verfolgten die Ausführungen der Staatsanwaltschaft ohne größere Regung. Zu den Vorwürfen äußerten sie sich am ersten Prozesstag noch nicht, beide machten aber Angaben zur eigenen Person. Es gehe ihm "den Umständen entsprechend gut", sagte der 39-jährige Angeklagte aus Weeze gestern beim Prozessauftakt, als Richter Christian Henkel ihn danach fragte. "Es hört sich ein bisschen komisch an, aber ich bin erleichtert, dass es jetzt losgeht."

Der Blick auf die Anklagebank: Die beiden Beschuldigten mit ihren Verteidigern.

Der Blick auf die Anklagebank: Die beiden Beschuldigten mit ihren Verteidigern.

Foto: Gottfried Evers

Der 57-Jährige ist zwar fest in Geldern verwurzelt, seine letzte Melde-Adresse hatte er aber in Portugal. Der 39-jährige Angeklagte aus Weeze schilderte seinen Werdegang: Schule, Kaufmännische Ausbildung, stets sei er berufstätig gewesen. Durch eine Stellenanzeige kam er zu seinem Posten als Geschäftsführer der "Deutschen Schlüsseldienst Zentrale" in Geldern.

Durch völlig überhöhte Preise bei Not-Öffnungen von Türen haben sich die Angeklagten nach der Überzeugung der Anklage Millionen angeeignet. Bei der Razzia im August 2016 beschlagnahmten die Behörden neben Beweismaterial zahlreiche Gegenstände von Wert. Er wisse, dass der Zoll das auch bei ihm getan habe, erklärte der 39-Jährige zu seiner finanziellen Lage: "Ich gehe momentan davon aus, dass ich kein Vermögen habe."

 Das Medieninteresse war zum Auftakt groß.

Das Medieninteresse war zum Auftakt groß.

Foto: Evers Gottfried

Beide Angeklagten haben die Taten, die ihnen zur Last gelegt werden - Betrug und Wucher, Steuerhinterziehung und Einbehalten von Lohnnebenkosten, alles im großen Stil - im Ermittlungsverfahren bestritten. Der Wahl-Verteidiger des 58-Jährigen, Falk Würfele aus Düsseldorf, will am heutigen zweiten Prozesstag in einer Erklärung die Sicht der Verteidigung darlegen.

Anwalt Thomas Heine, der gemeinsam mit einer Kollegin den 39-Jährigen aus Weeze vertritt, beschrieb im Gespräch mit der Rheinischen Post die Rolle seines Mandanten: "Wir sehen ihn als hauptverantwortlichen Geschäftsführer, der sich aber nichts hat zu Schulden kommen lassen." Er erklärte: "Ich gehe davon aus, dass bereits hier beim Landgericht mein Mandant einen Freispruch erhält, nötigenfalls vor dem Bundesgerichtshof."

Eine Panne im Verfahren hat sich direkt am ersten Prozesstag ereignet. Zwei Monteure, die mit der Schlüsseldienst-Zentrale gearbeitet haben und später noch als Zeugen gehört werden sollen, saßen fast die ganze Zeit über im Zuschauerraum. Zeugen dürfen erst dazukommen, wenn sie selbst angehört werden. Als Anwalt Heine darauf hinwies, verwies Richter Christian Henkel die Männer des Saales.

(RP)
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