Lidl-Mord: Eine Chronik des Prozesses

Chronik des Lidl-Mord-Prozesses

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Am 31. März dieses Jahres ist ein 43-jähriger Mann in einem Lidl-Markt von zwei Männern erstochen worden. Der Angriff auf den Klever fand gegen 17.50 Uhr vor vielen Zeugen im Supermarkt statt. Die beiden Tatverdächtigen stellten sich kurz nach der Tat auf einem Parkplatz an der A 57 der Polizei.
Wenige Tage später zeigte das Obduktionsergebnis die Brutalität der Tat: Mit 44 Messerstichen haben der 22-Jährige und der 30-Jährige auf das Opfer eingestochen. Alle Tatbeteiligten sind türkischstämmig.
Bei den beiden mutmaßlichen Tätern handelt es sich um die Brüder der ehemaligen Frau des 43-Jährigen. Das hatte die Polizei drei Tage nach der Tat bekannt gegeben. Der blutigen Tat war anscheinend ein jahrelanger Familienstreit vorausgegangen.
2002 wurde die Ehe des 43-Jährigen geschieden. 2008 ging er mit einem Messer und einem Stein auf einen weiteren Bruder der Angeklagten und seiner Ex-Frau los. Daraufhin wurde er 2009 in Kleve wegen Totschlags zu vier Jahren Haft verurteilt. Bis 2012 saß der Mann im Gefängnis.

20. Oktober: Der Mordprozess wird vor dem Schwurgericht eröffnet. Die Anklage gegen die beiden Brüder lautet: Mord aus niederen Beweggründen. Die beiden tatverdächtigen Brüder machen keine Aussage, die Verteidigung stellt unterdessen einen Misstrauensantrag an die Kammer. Der Grund: weil der Tatbestand einer Ehrentat und des verabredeten Mordes zugelassen wurde.
23. Oktober: Am zweiten Prozesstag werden 14 Zeugen angehört. Einige erzählen, dass sie nach der Tat traumatisiert gewesen seien. Eine Frau sagt, sie müsse seit der Tat die Straßenseite wechseln, wenn ihr ein Ausländer entgegen kommen. Am Rande der Verhandlung kommt heraus, dass der Lidl-Markt nicht Video-überwacht war. Ein junger Mann soll laut Augenzeugen die Tat jedoch angeblich gefilmt haben. Das Video liegt bis heute aber nicht vor.
30. Oktober: Am dritten Prozesstag muss Richter Ulrich Knickrehm durchgreifen. Der Bruder des Opfers lässt sich nicht zur Ruhe bringen. ?Mit 44 Messerstichen, so etwas machen nicht einmal Terroristen?, schimpft er. Als er auch noch einen Verteidiger der Angeklagten verbal angeht, schlägt Knickrehm mit der Hand auf den Tisch.
31. Oktober: Der vierte Prozesstag bringt eine Wende. Die Kammer gibt eine vorläufige Einschätzung des Geschehens ab. Dass die beiden Angeklagten den 43-Jährigen getötet haben, daran bestehe kein Zweifel. Das Gericht neige aber nicht dazu von Blutrache oder Ehrenmord auszugehen. ?Wir haben eine Tat, die an Selbstjustiz grenzt?, sagt Richter Knickrehm. Die Verteidigung kündigt an, dass sich die Angeklagten nun doch äußern wollen - durch schriftliche Erklärungen der Anwälte.

3. November: Am fünften Prozesstag gestehen beide Angeklagten durch Verlesungen ihrer Anwälte die Tat. Der 31-jährige Angeklagte lässt über seinen Anwalt verlesen: ?Ich bin verantwortlich. Ich habe auf B. Eingestochen, wollte ihn aber nicht töten?. Als danach die Einlassungen seines jüngeren Bruders verlesen werden, bricht der 31-Jährige in Tränen aus.
5. November: Am sechsten und eigentlich letzten geplanten Prozesstag wird beschlossen, dass die Angeklagten von einem Gutachter untersucht werden sollen. Die beiden Anwälte der Nebenklage beantragen 10.000 Euro Schmerzensgeld. Schon jetzt ist klar: Die Verhandlung wird deutlich länger dauern, als geplant.
18. November: Der siebte Verhandlungstag bringt den zweiten Befangenheitsantrag des Prozesses, dieses Mal ausschließlich gegen den Vorsitzenden. Er habe durch seine Aussagen den Eindruck erweckt, sich vorzeitig festgelegt zu haben, argumentiert die Verteidigung. In seinem Gutachten schließt Dr. Jack Kreutz, Chefarzt der Forensik, eine verminderte Steuerungsfähigkeit und eine Tat im Affekt für den 31-Jährigen Tatverdächtigen aus, wenn die beiden Angeklagten dem Opfer in den Supermarkt hinterher geeilt sind. Das hatte die Beweisaufnahme ergeben.
5. Dezember: Der Befangenheitsantrag wird abgelehnt. Dr. Jack Kreutz kann sein zweites Gutachten abgeben. Der Staatsanwalt plädiert anschließend auf lebenslange Haft für beide Angeklagte. Sie hätten gemeinschaftlich, vorsätzlich und aus niederen Beweggründen gehandelt. Ähnlich argumentiert ein Anwalt der Nebenklage: Man habe den 43-Jährigen ?wie ein verwundetes Tier? durch den Supermarkt verfolgt. Die Kammer entscheidet, dass der Forderung nach Schmerzensgeld in der jetzigen Hauptverhandlung nicht stattgegeben wird.

Am 8. Dezember geht der Prozess mit dem neunten Verhandlungstag weiter. Die Verteidigung kündigte bereits an, womöglich wieder in die Beweisaufnahme einzusteigen und weitere Anträge stellen zu wollen.
Am 13. Juni 2016 werden die Angeklagten zu lebenslanger Haft verurteilt.
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