Prozess Prozess am Landgericht Kleve: Schwieg der Zeuge aus Angst?

Kleve/Goch/Kalkar · Zwangsprostitution, Drogenabgabe an Minderjährige, Raub – ein 28-jähriger Klever muss sich am Landgericht verantworten. Der zweite Angeklagte soll am Raub beteiligt gewesen sein.

 Der Prozess fand am Klever Landgericht statt.

Der Prozess fand am Klever Landgericht statt.

Foto: van Offern, Markus (mvo)

Kräftige Oberarme, breitbeiniger Gang, Tätowierung am Hals. „Dem jagt man keine Angst ein“, mochte man gedacht haben, als der 21-jährige Mann aus Goch am Freitag durch den Verhandlungssaal des Klever Landgerichtes schritt. Als Zeuge war er geladen – in einem Prozess gegen zwei kurdischstämmige Angeklagte aus Kleve und Kalkar (28 und 23 Jahre alt).

Die beiden Männer gleichen Familiennamens sollen den Zeugen – so die Anklageschrift – in der Nacht des 3. August 2016 am Gocher Bahnhof angegriffen und ausgeraubt haben. Das mutmaßliche Diebesgut: 15 Gramm Marihuana und 40 Ecstasytabletten, die der Zeuge laut Anklage an einen weiblichen Lockvogel der Angeklagten habe verkaufen wollen.

Wenngleich er bei der Polizei bereits Angaben zur Sache gemacht hatte, konnte oder wollte der 21-jährige Zeuge sich am Freitag zunächst nicht an den Raubüberfall erinnern. „Ich war in der Zeit jeden Tag betrunken oder auf Drogen, deswegen weiß ich nichts mehr. Ich weiß auch nicht, ob das so stimmt, was ich damals bei der Polizei gesagt habe“, so der Zeuge.

Sechs, sieben Mal hakte der Vorsitzende Richter Christian Henckel nach – doch die Erinnerung des Zeugen kehrte zunächst nicht zurück. „Haben sie Angst?“, fragte der Richter. „Nee“, so der Zeuge trotzig. Als der Richter den Mann eindringlich auf mögliche Folgen seiner Nichtmitwirkung als Zeuge hinwies, wollte dieser seinen Anwalt sprechen.

Zwei Stunden und eine anwaltliche Beratung später: erneuter Versuch einer Zeugenvernehmung. Und die Erinnerung war scheinbar zurückgekehrt: „An diesem Tag hatte ich mit den beiden eine Schlägerei“, erklärte der Zeuge. Von hinten sei er nach einem Schlagabtausch gepackt und zu Boden geworfen worden, dabei seien ihm die Drogen wohl aus der Tasche gefallen, erklärte der 21-Jährige.

Wegen Raubes müssen sich die beiden Angeklagten aufgrund des Vorfalls am Gocher Bahnhof verantworten. Dem Hauptangeklagten, einem erheblich vorbestraften 28-Jährigen aus Kleve, werden in der Anklage noch weitere, schwerwiegendere Vorwürfe gemacht: Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in 15 Fällen, Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger in Tateinheit mit Zwangsprostitution, Förderung sexueller Handlungen Minderjähriger in weiteren vier Fällen und Diebstahl.

Laut Anklage überließ der Angeklagte 2017 zwei minderjährigen Mädchen in mindestens zwölf Fällen die Droge Crack. Darüber hinaus soll er eine der Minderjährigen dazu veranlasst haben, gegen Entgelt der Prostitution nachzugehen, um dadurch Betäubungsmittel finanzieren zu können. Hierzu soll die Geschädigte in mindestens fünf Fällen Geschlechtsverkehr mit Freiern gehabt haben. Die beiden Mädchen waren bereits am ersten Verhandlungstag (vergangene Woche) als Zeuginnen geladen. Zu deren Wohle wurde die Öffentlichkeit dabei ausgeschlossen.

Am Ende des zweiten Verhandlungstages am Freitag richtete der Vorsitzende das Wort an die Angeklagten und Zuhörer: „Sie wissen, was eine Gefährderansprache ist? Ich möchte nicht, dass irgendjemand von ihnen aus falsch verstandenem familiärem Ehrgefühl Zeugen anspricht. Appellieren sie auch an ihre Brüder und Cousins“, so der Richter. Der 21-jährige Zeuge hatte das Gericht da bereits verlassen – in Begleitung eines Kripobeamten.

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