Kleve Lage für Klever Obdachlose katastrophal

Kleve · Immer mehr Menschen ohne Einkommen finden in Kleve keine Unterkunft – auch viele junge Frauen sind von der Wohnungsnot betroffen. Auf dem Immobilienmarkt stehen sie in Konkurrenz zu Studenten und Singles.

 Kahle Wände, gefliester Boden, ein Tisch, ein Bett, ein Schrank — die Zimmer der jungen Frauen in der „Netzgruppe“-Wohngemeinschaft sind spartanisch eingerichtet. Doch gäbe es die Räume nicht, ständen die Frauen auf der Straße.

Kahle Wände, gefliester Boden, ein Tisch, ein Bett, ein Schrank — die Zimmer der jungen Frauen in der „Netzgruppe“-Wohngemeinschaft sind spartanisch eingerichtet. Doch gäbe es die Räume nicht, ständen die Frauen auf der Straße.

Foto: Evers, Gottfried

Immer mehr Menschen ohne Einkommen finden in Kleve keine Unterkunft — auch viele junge Frauen sind von der Wohnungsnot betroffen. Auf dem Immobilienmarkt stehen sie in Konkurrenz zu Studenten und Singles.

Svenja strahlt, wenn sie von ihrer 40-Quadratmeter-Wohnung — zwei Zimmern, Küche, Diele, Bad — erzählt: "Die ist nur für mich." Und die — eine eigne Wohnung — gab es für die 25-Jährige viele Jahre nicht. Etwa sechs Monate lebte die junge Frau auf der Straße. Nachdem die Beziehung zu ihrem Mann in Gewalt geendet war, fand sie für drei Monate Unterschlupf im Klever Frauenhaus. Der Versuch, bei einem Freund zu wohnen, scheiterte ebenso wie der, in der Wohngemeinschaft des Klever Vereins "Netzgruppe", der sich um junge Frauen in schwierigen Lebenslagen kümmert. Nächste Station war ein Zimmerchen — weniger als 20 Quadratmeter klein, Bad und Küche musste sie sich mit neun Mieter teilen —, für das der private Vermieter 300 Euro Kaltmiete pro Monat von der Stadt kassierte.

Immer wieder bewarb sich Svenja für andere Wohnungen. 15 bis 20mal in sechs Monaten. Immer wieder gab es Absagen. Begründungen der Vermieter: "Sie sind zu jung. Sie haben keine Arbeit." oder "Wir wollen lieber Studenten." Als Svenja noch im Frauenhaus wohnte, reichte es, dass sie Vermietern ihre Adresse nannte. "Dann war schon Feierabend", erinnert sich die 25-Jährige.

Erst mit Hilfe der Fachberatungsstelle für Frauen beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) fand Svenja ein eignes Zuhause — nach zwei Monaten intensiver Suche und dank "guter Kontakte" des SkF.

Svenja ist kein Einzelfall in Kleve. Viele, die ALG 2 oder Sozialhilfe beziehen, haben extreme Probleme, eine Wohnung zu bekommen. "Die Lage war immer schlimm, aber jetzt ist sie katastrophal", sagt Petra Hermsen-Beyer, Diplom-Pädagogin beim SkF, die seit 20 Jahre in Kleve in der Frauen-Beratung arbeitet. Sabine Ganser, pädagogische Mitarbeiter der "Netzgruppe", bestätigt: "Die Situation wird immer dramatischer." Der Verein könne die Betroffenen nicht mehr auffangen. Es gibt eine Warteliste.

Die Verschärfung der Wohnungsnot hat einige Ursachen. "Es gibt immer mehr Single-Haushalte, Kleves Bevölkerung wächst durch Zuzüge, der Soziale Wohnungsbau ist zurückgegangen, Studenten suchen nach kleinen, preiswerten Wohnungen", sagt die SkF-Mitarbeiterin. Auch nach Einschätzung von Sabine Ganser hat sich die Situation verschärft, seit Studenten in Kleve Wohnungen suchen. Allein bei der Klever Fachberatungsstelle für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen haben laut Petra Hermsen-Beyer im vergangenen Jahr 450 Betroffene um Hilfe gebeten. Dazu kommt die hohe Dunkelziffer deren, die keinen Kontakt zu den Beratungsstelle der Caritas, des SfK oder des Diakonischen Werkes aufnehmen. Auch die sieben Plätze in der "Netzgruppe"-Wohngemeinschaft für obdachlose Frauen sind stets vergeben. Zudem stehen derzeit fünf junge Frauen auf der Warteliste. "Die sind derzeit irgendwo untergeschlüpft — ohne Melde-Adresse. Und ohne Melde-Adresse gibt es auch kein Geld vom Amt", so beschreibt Sabine Ganser die Situation der Betroffenen.

Die Stadt Kleve hat lediglich Obdachlosen-Unterkünfte in der Mozartstraße für Frauen, am Selfkant für Männer (beides Gemeinsachftsunterkünfte) und in der Jülicher Straße (Familienwohnungen). Auch diese sind meist belegt. Die Gebühren, die die Stadt dafür kassiert, liegen an der Mozartstraße bei 6,41 Euro, an der Jülicherstraße bei 9,12 Euro und am Selfkant bei 9,08 Euro pro Quadratmeter.

Außerdem gibt es in Kleve eine Reihe privater Anbieter, die Zimmer an Menschen in Wohnungsnot zu Preisen vermieten, die unterhalb der vom Kreis festgelegten "Angemessenheit" — in Kleve darf demnach für eine 50-Quadratmeter-Wohnung 398,50 Euro Bruttokaltmiete verlangt werden — liegen. Wenn für ein 20-Quadratmeter-Zimmerchen mit Etagenbad und -küche aber 300 Euro Kaltmiete pro Monat kassiert werden, grenzt das nicht nur für Petra Hermsen-Beyer an Wucher. "Doch ohne diese Anbieter wäre die Lage noch dramatischer. Aber auch sie vermieten nun lieber an Studenten."

"Es muss dringend etwas getan werden", fordert Sabine Ganser von der "Netzgruppe". Petra Hermsen-Beyer vom SkF sagt:. "Kleve braucht mehr kleine, preiswerte Wohnungen." Zudem könnte eine sozial gerechtere Verteilung von Wohnraum erreicht werden, wenn die Stadtverwaltung — wie es andernorts üblich — eine Fachstelle für Wohnraumvermittlung einrichten und darüber städtische Wohnungen vergeben würde. Möglicherweise hätte Svenja dann nicht so lange eine eigene Wohnung suchen müssen.

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