Digitale Lesung Klever Geschichte wurde lebendig

Kleve · Kurioses und den „typischen Klever“ gab es bei einer digitalen Lesung im Stadtarchiv zu hören, die auch die wichtige Arbeit von Archivaren herausstellte.

 Führte mit Marco Spohr durch die digitale Lesung des Stadtarchivs: Katrin Bürgel.

Führte mit Marco Spohr durch die digitale Lesung des Stadtarchivs: Katrin Bürgel.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Wer hat nicht schon einmal in einem Museum oder Archiv ratlos vor einer jahrhundertealten Handschrift gestanden, sie kaum entziffern können und sich gefragt: Was wird da eigentlich erzählt? Wie waren die Menschen in dieser Zeit? Was haben sie erlebt?

Hilfe gibt es in diesem Fall von Archivaren. Sie können die Dokumente einordnen, ja, auch lesen, und berichten, was damals geschah. Genau das taten die Leiterin des Klever Stadtarchivs, Katrin Bürgel, und der Schauspieler und Rezitator Marco Spohr am 5. März, dem bundesweiten Tag der Archive. Weil die Pandemielage noch immer angespannt ist, hatte der Verband deutscher Archivarinnen und Archivare (VdA) als Initiator der Veranstaltung dazu aufgerufen, den Tag mit digitalen Angeboten zu gestalten. Das Motto lautete „Fakten, Geschichten, Kurioses“.

Die Veranstaltung, die seit 2001 jährlich stattfindet, soll auf die Bedeutung archivarischer Arbeit hinweisen. Die Archivleiterin und ihr Team hatten für die einstündige Lesung, der man nach Anmeldung über Zoom beitreten konnte, einige historische Dokumente aus ihrem Bestand ausgewählt. Unterstützung gab es auch vom Klevischen Verein für Kultur und Geschichte/Freunde der Schwanenburg. Zu den ausgewählten Themen gehörte zum Beispiel die Frage, wann und von wem Kleve eigentlich gegründet wurde. War es schon Julius Cäsar oder doch erst Graf Dietrich VI.? Katrin Bürgel stellte die Quellen vor, die im Archiv dazu zu finden sind, und Marco Spohr machte sie durch seinen Vortrag lebendig.

Zuschauer der Lesung bekamen so einen Einblick, wie die Menschen damals schrieben und auch sprachen. Aus für den Laien unleserlichen Schriften wurden lebendige Bilder. Eine schöne Einladung zum Schmunzeln war zum Beispiel die Geschichte vom Klever „Eiergericht“, bei der ein reicher Holländer beinahe 1000 Gulden für zwölf gekochte Eier zahlen musste, wäre ihm nicht ein schlauer Landwirt beigesprungen.

Es ging auch um die Frage: Was macht den Klever aus? Wie sind seine typischen Eigenschaften? Auch dazu hatten die Archivarinnen Dokumente aus vergangener Zeit gefunden. „Die heutigen Leser sollten hierbei nicht zu empfindlich sein“, so Katrin Bürgel. Spohr rezitierte, indem er gekonnt in die Rollen und Charaktere schlüpfte. Der typische Klever habe ein „dickes Fell“ und eine „Abneigung gegen alles Neue“. Er liebe seine Gewohnheiten und zeige Phlegma. Die Männer seien „klein und dick“, und die Frauen hätten „weder französische noch griechische Schönheit vorzuweisen“. Die Schönheiten der eigenen Stadt wiederum sähen die Klever nicht, wie die berühmte Clevische Linde an der Hagschen Poort. Die „Sachen, die uns stets vor Augen stehen“ seien mitunter unsichtbar.

Sein schauspielerisches Können zeigte Spohr, als er die Berichte vom „Zirkus Holzmüller“ las. Dieser gastierte in Kleve 1929 und hatte eine riesige Zahl von Löwen und anderen Raubtieren angekündigt. Das Löwengebrüll kam aber „aus einer Maschine“, wie ein zeitgenössischer Bericht belegt. Neben den lustigen Geschichten, die das Stadtarchiv in der Lesung zu Tage förderte, fehlte auch die klassische Spukgeschichte nicht. Die „weiße Frau“, die seit jeher vielfach in europäischen Adelshäusern herumgeistert, war wohl auch in Kleve zu Gast. Dies beweist ein Polizeibericht aus dem Jahre 1815. Zwei Gefangene im Klever Arresthaus erlebten den Besuch der Geister-Dame, aber nur einer der beiden Burschen konnte davon berichten. War es Traum oder Wirklichkeit? Die Frage blieb unbeantwortet.

Was Menschen der Gegenwart „Mobbing“ nennen, das gab es auch vor 200 Jahren schon, ganz ohne Internet. Gerüchte über Beleidigungen verbreiteten sich und führten zu Gerichtsverhandlungen, auch hierzu hat das Stadtarchiv schriftliche Belege, sogar sehr ausführlich, wie die Lesung zum Tag der Archive zeigte. Zur Lesung gehört noch eine digitale Ausstellung, die Interessierte auf der Homepage des Klever Stadtarchivs unter www.stadtarchiv-kleve.de besuchen kann. Dort kann man die Quellen der Lesung und auch noch weiteres interessantes Sammlungsgut aus der Geschichte der Stadt betrachten.

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