Artoll in Bedburg-Hau Eintauchen in Klang und Stille
Bedburg-Hau · Das ArToll-Klanglabor lädt an den kommenden Wochenenden zur „Klanginstallation EQ“ ein. Was der Besucher dabei hört, bestimmt er selber: Über Sensoren und mit seiner Handykamera kann er verschiedene Sounds auslösen.
Der Sound der Autokolonnen auf der Fifth Avenue in New Ýork, der hinauf in sein Zimmer drang, sei Musik, soll John Cage in einem Interview gesagt haben. Die Jazz-Musiker Daniel Ziegler und Andreas Steffens zitieren den Amerikaner bei der Vorstellung ihres Konzeptes für das ArToll Klanglabor im lichten Vorraum von Haus 6 im Gelände der LVR-Klinik Bedburg-Hau. Ihm gilt ein Raum im Klanglabor. Doch es ist nicht das in den oberen Stockwerken über den Straßenschluchten dem Meeresrauschen so ähnliche Geräusch des Verkehrs in der Großstadt, das die beiden ins ArToll Klanglabor geholt haben. Es ist die Stille. Nicht als die Stille. Cage, der mit seinen 250 Kompositionen als einer der einflussreichsten Komponisten des 20. Jahrhunderts gilt, schrieb darüber ein Buch: „Silence“.
Dessen erstes Kapitel hängt an der Wand. Fein säuberlich Seite für Seite gerahmt. Zum Nachlesen. In Stille. Das eigentliche Buch steht auf dem schlanken Dreibein einer Staffelei. Klassisches Suhrkamp-Bändchen mit gelbem Strich. Der Blick geht hinaus in die Stille des Gartens, der Haus 6 auf dem Gelände der LVR-Klinik umgibt. Es ist eines der schmalen Kämmerchen, die am Rand der einst als Schlafsäle für psychisch kranke Menschen genutzten Räume liegen. Die Säle und die Kämmerchen sind jetzt Ausstellungsraum – oder eben Klanglabor. „Eigentlich hätten wir diesen Raum komplett abdichten müssen - aber das ging nicht“, sagt Steffens. Deshalb liegen rechts in einer Plastikwanne Kopfhörer, die das übernehmen. Sie sind desinfiziert, weil ja Corona ist. Also: Kopfhörer nehmen und schon umgibt den Besucher die Stille.
Man sollte sich zur Stille dann auch die Zeit nehmen, die Gegenwart ausblenden und sich auf Klang und Stille einlassen – es lohnt sich, in dieser spannenden Einrichtung des ersten Klanglabors nach langer Zwangs-Pause. Es ist interaktiv und auch ein bisschen pädagogisch, was Ziegler und Steffens da aufgebaut haben. Sie verstehen ihre Installation als Übergang von Jazz zur Neuen Musik, als Kompositionen, die sie „zerschreddert“ und neu zusammengefügt haben, viel schneller oder langsamer abgespielt dort laufen lassen. Darin auch fünfstufige Tonleitern, wie sie die Azande in Zentral-Afrika singen, es geht um „Aleatorik“, also zufällig zusammengewürfelte Stückchen von Musik zu einem neuen Ganzen oder einfach um Interaktion. Aber auch Krähen sind dabei. Titel des ganzen: „EQ“.
Man geht an Sensoren vorbei, wischt mit der Hand über Vergrößerungsgläser oder leuchtet ein optisches Auge mit der Handy-Kamera an: Alles beeinflusst die Musik, löst Sound-Ketten aus; man hört leisen hohen Glockenklang und an anderer Stelle das Saxophon. Aber: Es wird kaum jemals die genau selbe Musik laufen, weil die Sensoren immer unterschiedlich ausgelöst werden. Weil die einen still in der Mitte des Raumes sich vom Klangteppich umfangen lassen, während andere wischend und leuchtend versuchen, die Musik zu ändern. Oder auf ein Brett springen, es mit dem Fuß bearbeiten, weil es Klang erzeugt - mit einem Sensor, der wiederum mit der Anlage verkabelt ist und so zugleich auch Musik ansteuert. Das hört sich komplizierter an, als es ist: Das neue Klanglabor lädt einfach ein, dem Klang zu horchen und mitzumachen.
Ziegler und Steffens haben die hintereinanderliegenden Säle im Haus 6 jeweils mit unterschiedlichem Klang bestückt — gerahmt hängen die Erklärungen dazu an der Wand: Gleich im ersten Raum erfährt man, dass der Lockruf der Krähen, ihr Willkommensruf oder der Schrei einer Dohle und das Geschnatter des Dohlenschwarms Teil der Komposition sind. Sie korrespondieren mit den Bildern von Dini Thomsen, die als Ausstellung dort zu sehen sind. Raum 1 heißt also „Krähen“. Es gibt einen Raum „Wili pai sa sunge“, das ist der Raum zu den Azande, oder einen namens „Interaktion“.
Über das Labor wird ein Film gedreht, bei dem die Klever Musikerin Miriam Hardenberg eingebunden ist, die die elektronischen Klänge mit denen ihrer akustischen Instrumente kontrastiert. „Der Film wird auf verschiedenen Plattformen öffentlich zugänglich sein“, sagt Ziegler. Die Installation wird aus dem Kulturfonds der Stadt Kleve zu Unterstützung der freien Kulturszene mit 1000 Euro gefördert.
Öffnungszeiten: Die Wochenenden 5. und 6. März, 12. und 13. März sowie 19. und 20. März ab 15 Uhr. Man kann bei artoll@t-online.de auch Zeitfenster buchen, da es wegen der Corona-Regeln zu Wartezeiten kommen könnte: 15 bis 16 Uhr, 16 bis 17 Uhr und 17 bis 18 Uhr. Es gilt derzeit 2G mit Maskenpflicht.