Theater Blackout – der Umgang mit dem Total-Ausfall

Kleve · Die Theaterfassung des Bestsellers von Marc Elsberg war in der Stadthalle zu sehen. Interpretation macht Stoff hochaktuell.

 Das Westfälische Landestheater gastierte jetzt mit einer Theaterfassung des Romans in der Klever Stadthalle.

Das Westfälische Landestheater gastierte jetzt mit einer Theaterfassung des Romans in der Klever Stadthalle.

Foto: Matthias Grass

. Europa ohne Strom, die Menschen ohne Licht, ohne Heizung, ohne Wasser – zwei Wochen lang. Der österreichische Schriftsteller Marc Elsberg veröffentlichte 2012 seinen Katastrophen-Thriller „Blackout“, in dem er genau dieses Szenario des totalen Ausfalls und seine Folgen für die Menschen beängstigend realistisch beschreibt. Das Buch wurde nicht nur ein Bestseller, sondern auch von Kritikern hochgelobt und mehrfach ausgezeichnet. Das Westfälische Landestheater gastierte jetzt mit einer Theaterfassung des Romans in der Klever Stadthalle.

Das Interesse an dem Thema war groß, der Zuschauerraum war sehr gut besetzt. Wie aber erzählt man einen 800 Seiten starkes Buch an einem einzigen Theater-Abend? Regisseur Thomas Tiberius Meikl ließ die Schauspieler einzelne Szenen spielen und gleichzeitig Textpassagen aus dem Buch zitieren, damit die Handlung deutlich wurde. Er entschied sich für ein Bühnenbild, das aus verschiedenen Metallgerüsten bestand, an denen die Schauspieler sich auf- und abhangelten. Fast durchgängig agierten sie an oder im Gerüst. Zwischendurch bauten sie Teile daraus auseinander und wieder zusammen. Dies wirkte symbolisch als vernetzte, technisierte Welt, in der kaum einer mehr autonom leben kann, und in dessen Wirrwarr sich niemand mehr zurechtfindet. Auf großen Videoleinwänden waren authentisch wirkende „Augenzeugenberichte“ zu sehen, wie Menschen zum Beispiel den Tod eines anderen in Kauf nehmen im Kampf um einen letzten Kanister Benzin. Oder wie Kühe in großer Zahl qualvoll sterben, weil Melkmaschinen still stehen.

Der Informatiker Piero Manzano, gespielt von Mario Thomanek, war ehemals ein Hacker, jetzt entdeckt er als erster einen Abschaltcode im europäischen Stromnetz und erkennt, dass ein gezielter Anschlag hinter dem Total-Ausfall steckt. Der zuständige Chef-Ermittler, der Belgier Francois Bollard, dargestellt durch Burghard Braun, arbeitet mit Manzano zusammen. Gegenseitiges Misstrauen aber liegt in der Luft. Auch die Mitarbeiterin des deutschen Innenministeriums, Frauke Michelsen, verkörpert von Franziska Ferrari, ist voller Argwohn. Als Manzano den Tätern auf die Schliche kommt, verschicken diese eine Manzano belastende E-Mail, so dass die Behörden glauben, der Informatiker habe den Anschlag verübt. Er wird verfolgt und gefasst, flieht und kann  aufklären. Die Terroristen, die eigentlich Umwelt-Aktivisten sind und durch den Blackout für eine gerechtere Ressourcenverteilung sorgen wollen, werden entlarvt, und der Strom, den die Menschheit zum Überleben braucht, kehrt zurück.

Ein Happy End fehlt auf der Theaterbühne. Die Schlussbilder auf den Videoleinwänden brennen sich ein und bleiben beim Nachhause-Weg im Kopf: die Erde, betrachtet vom Weltall aus. Europa leuchtet hell von künstlichem Licht, schnell huschen dokumentarische Aufnahmen von Nuklearkatastrophen vorbei, sekundenlang leuchtet ein Foto von Greta Thunberg auf. „Existenzielle Katastrophenfälle rütteln die Menschheit auf“, so die Stimme am Schluss aus dem Off. So genau stand es nicht im Buch, aber es ist eine aktuelle Lesart. Langer Applaus.

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