Neues Stück Traumhaftes Theater ohne Publikum

Bedburg-Hau · Das neue Stück ist fertig. Die Kulisse ist traumhaft und die Geschichte rührend. Doch Crischa Ohler und Sjef van der Linden können den „Wal“ nach Ton Tellegen nicht zeigen: Corona schließt alle Theater. Trailer als Vorgeschmack.

 Sjef van der Linden und Crischa Ohler in: Ein Garten für den Wal.

Sjef van der Linden und Crischa Ohler in: Ein Garten für den Wal.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

BEDBURG-HAU Die Atmosphäre ist traumhaft: Es ist dunkel im Saal, eine karge und mit den wenigen Utensilien in der Fantasie doch so volle Bühne fesselt direkt mit dem ersten Scheinwerfer, der die Szenerie beleuchtet. Im nötigem Vier-Meter-Corona-Abstand zum Besucherraum. Blaues Licht scheint kühl auf den Platz. Denn blau und weit und kühl ist der Ozean. Und schön. Vor allem bei Nacht, wenn alle Sternlein prangen und der Wal sich auf dem Rücken treiben lässt und vor sich hin träumt.

Die Atmosphäre bleibt traumhaft: selbst beim hektischen Geschäft des Grashüpfers, der mit großer runder Lennon-Brille in Grün kaum Luft holen kann zwischen den vielen Tieren, die gerne ihre Wünsche erfüllt hätten (und zwar am besten sofort!). Und wo jeder Wunsch ganz viel vom Seelenleben von Bär, Igel und Grille verrät. Es ist beim Grashüpfer so viel zu tun, dass er zunächst gar keine Zeit hat, den dringenden Brief vom Wal zu lesen.

   Sjef van der Linden und Crischa Ohler in:  Ein Garten für den Wal.

Sjef van der Linden und Crischa Ohler in:  Ein Garten für den Wal.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

„Ein Garten für den Wal“ ist das neue Stück, das Crischa Ohler und Sjef van der Linden nach einer Geschichte von Ton Tellegen im Theater mini-art auf die Bühne bringen. Besser: bringen würden. Denn zwar ist der Text einstudiert, sitzt bis in jedes Komma, genau so wie die Regie (Rinus Knobel) es will, die Nuancen stimmen. Das traumhaft-spielerische in einer Welt der Tiere, die so viel vom Seelenleben dieser Tier verrät und damit nicht zuletzt vor allem vom Menschen erzählt. Und das nicht hektisch mit modernen Schnitten in kurzen Appetithäppchen, sondern wundersam langsam wie eindringlich. Poetisch in der Entdeckung dieser Langsamkeit der Szenen wie in dem wieder einmal geradezu künstlerischen Bühnenbild, wenn beispielsweise auf langen dünnen Nadeln Sonne Mond und Sterne zum Firmament werden und der kleine Wal zwischen kleinen Wellen ganz groß ist.

Das Stück kann nicht gespielt werden. Knobel, van der Linden und Ohler haben es auf den Punkt genau fertig bekommen. Und nun ist Sense. Corona-Verlängerung bis 20. Dezember, das Theater bleibt zu. Keine Premiere. Kein traditionelles „Ox und Esel“-Weihnachtstück. Statt dessen Anträge schreiben, damit die Ausfälle nicht zu groß sind, darauf hoffen, vielleicht doch ganz kurz vor Weihnachten eine Aufführung zu schaffen oder spätestens im Januar wieder richtig durchstarten zu können.

„Wir müssen jetzt die Spannung trotzdem weiter hoch halten“, sagt Rinus Knobel und schaut vom Regiestuhl aus blinzelnd in den Zuschauerraum. Ja, und wenn Corona vorbei ist, dann wäre das Ensemble mit Tieren und Menschen viel, viel näher am kleinen und großen Publikum (wobei das Stück bestimmt nicht nur das kleine Publikum begeistern wird).

Also werden die beiden Schauspieler den Wal jetzt vor ausgesuchtem Einzelpublikum zeigen. Eine davon ist Carla Gottwein: Die Filmerin wird das ganze Stück dokumentieren und daraus einen Trailer machen, der bald im Netz abrufbar sein soll und  neugierig machen soll auf das neue Stück über den Wal, der hier in Bedburg-Hau als deutsche Erstaufführung auf die Bühne kommt.

Tellegens Fabel erzählt vom Wal, der so zufrieden sein könnte und sich eigentlich auch richtig wohl fühlt. Er kann sich unterm Sternenfirmament im weiten Ozean treiben lassen, kann springen, tauchen und all das machen, was er will. Doch ab und an träumt der Wal von einem Garten mit einer Bank auf seinen Rücken. Denn einen Springbrunnen hat er ja. Und als er träumt, dass ihn das Eichhörnchen besucht (bei Ton Tellegen darf das Eichhörnchen nicht fehlen), und bei dem Besuch zwar seinen Springbrunnen bestaunt aber dann bald wieder weg ist, weil es auf dem Wal-Rücken keinen Halt hat, da macht der Wal Nägel mit Köpfen. Er schreibt einen Brief an den Grashüpfer und bestellt alles, was man für einen Garten braucht.

Es sei schon einmal verraten, dass der Grashüpfer das alles in seinem Boot hinaus auf die Weiten des Ozeans bringt, dass der Wal sich immer mehr einschränkt, um den Garten zu pflegen und auszubauen und sich auch den Spott von zwei Halbstarken (toll das krakelige Krokodil und der zahnbewehrte Hai) gefallen lassen muss. Lauter kleine Geschichten in der großen Geschichte. Und wie der Wal wieder aus dem Dilemma von Garten und Freiheit herauskommt, das erzählt die Geschichte natürlich auch.

Aber dafür muss man das Stück gucken. Also: Die Spannung hochhalten und schnell ins Theater, sobald mini-art die Pforten wieder öffnen darf.

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