Museum Kurhaus Kleve Das wuchernde Haus aus Pappe

Kleve · „Salon der Künstler*innen“ soll die Kunstszene der Niederheinlande widerspiegeln. Aus 162 Bewerbungen wurden 22 Positionen ausgewählt. Die Ausstellung ist im Museum Kurhaus bis zum 19. Juni zu sehen.

 Susanne Figner vor Schilkes „Jeden Tag zeichnen“ –  im Hintergrund Damaris Kerkhoffs Installation.

Susanne Figner vor Schilkes „Jeden Tag zeichnen“ –  im Hintergrund Damaris Kerkhoffs Installation.

Foto: Matthias Grass

Sie wuchert empor wie eine  wilde ungehemmte Bau-Skulptur, Kästchen stapelt sich auf Kästchen, rot leuchten Fenster, meist sind sie klein und quadratisch, manche auch groß und rund. Nach oben verjüngt sich der Bau, der an moderne gestapelte Wolkenkratzer erinnert, die auch Kästchen auf Kästchen setzen, manche mit Grün dazwischen. Das „Haus“ von Rob Voerman ist aus Pappkartons gebaut, aus Verpackungsmaterial, das der Niederländer gefunden hat und das noch die typischen Aufdrucke von Umverpackungen trägt. Die zusammengefügten Pappen türmen sich über einem Teil eines Autowracks. Schrott und Müll wird zur Behausung. Und krabbelt man hinein in die Skulptur, wird‘s still. Wie in einer Kapelle verjüngt sich der Raum nach oben, werfen die roten   Quadrate sakrales Licht in den dunklen Raum, wird der Blick durch runde „Fenster“ gezielt geleitet. Man sitzt alleine drinnen und schaut hinaus auf das Treiben draußen.

 Rob Voermans Behausung.

Rob Voermans Behausung.

Foto: Matthias Grass

„A permeable Body of Solitude“ heißt die begehbare Skulptur im Doppelsaal des Museums. Sie besteht aus Holz, Glas, Plexiglas, einem Autoteil und Epoxidharz und misst 3,5 mal 3,5 mal vier Meter. Das Teil wächst im Museum auf zwei Etagen  und ist von Zeichnungen umgeben, auf denen Stadtarchitekturen wie La Defense in Paris übers Papier wuchern und Metamorphosen erleben.

 Ausblicke aus Voermans Skulptur in den Raum und hinaus in den Park.

Ausblicke aus Voermans Skulptur in den Raum und hinaus in den Park.

Foto: Matthias Grass

Voerman, aus Deventer in den Niederlanden stammende Künstler, ist einer der 22 ausgewählten, die es in den XIV. Salon der Künstler geschafft haben. Der wird am heutigen Samstag, 26. März, um 19.30 Uhr von Kurhaus-Direktor Harald Kunde im Beisein der meisten Künstler eröffnet und heißt jetzt eigentlich „Salon der Künstler*innen“. In diesem Jahr haben Harald Kunde und Kuratorin Susanne Figner, die den Salon organisiert hat, den Künstlern viel Raum gegeben. Wie Rob Voerman haben einige ganze Säle im Haus zur Verfügung.

So auch Brigitte Dams, die kommende Woche auch eine Ausstellung auf der Raketenstation in Hombroich haben wird. Dams kam, sah den Raum, den sie bekommen sollte, und warf ihr eigentliches Konzept über den Haufen. Zentral steht ihre neue für Kleve entwickelte Arbeit im Oberlichtsaal: Der „Gang durch den Mangrovenwald“ verarbeitet Eindrücke, die die in Düsseldorf lebende und arbeitende Kleverin auf ihren Reisen sammelte. Sie nutzt das Material, dem sie seit 1996 treu ist: Fahrradschläuche. Es bleibt spannend. In Kleve bilden die dunklen Gummischläuche einen Lianen-Wald, der zur Wanderung und zum Erleben dieser Skulptur einlädt. Spannend auch Aruzo Firuz im Wandelsaal, bei der vor allem die dynamischen Zeichnungen faszinieren: Groß, spontan und wie schmutzig voller Arbeitsspuren hängen sie teils wandfüllend da.

Firuz ist die jüngste im Bunde der 22 ausstellenden Künstler, die die Kunstszene zwischen Köln und Utrecht widerspiegeln soll. Man wolle der agilen Kunstszene und ihren Künstlern, - auch der Künstler, die nicht ausgewählt wurden – gerecht werden, sagt Kunde. Gerade auch in diesen Zeiten von Pandemie und eines  Autokraten, der Krieg als Mittel zum Zweck ansehe. Das sei die eine Seite. „Andererseits vermittelt ein solch ziviler Wettbewerb im begünstigten Westeuropa auf beispielhafte Weise jene Werte geistiger Offenheit, grenzenlosen Austauschs und kultureller Toleranz, die andernorts unter Einsatz des Lebens verteidigt werden müssen und die in ihrer Gesamtheit doch die einzige Alternative zur Barbarei waffenbasierter Stärke bilden“, so Kunde. Deshalb wolle das Museum, das jetzt 25 Jahre im Kurhaus residiert, diese kleine Übersichtsausstellung der niederrheinländischen Kunstszene als zwar bescheidenen, aber fortgesetzten Versuch zur Humanisierung der Welt verstehen. Ausgewählt wurden aus 162 Bewerbungen von einer fünfköpfigen Jury schließlich im Jahr 2022 22 Künstler, 15 Künstlerinnen und sieben Künstler. Die Wahl der 22 verstehe sich keinesfalls als Veto oder negative Wertung gegen die ausjurierten, sondern gebe die Suche einer Jury nach experimentellen, überraschenden und überzeugenden Impulsen wieder, so Kunde. Mit anderen Worten: Eine andere Jury hätte vielleicht anders entschieden.

Jedenfalls ist ein Gang durch die Räume spannend: gelungen auch der „blaue Saal“ (so Figner): Hier fasziniert Eugen Schilkes „Kästchen zeichnen. Seit 2017 fortlaufend“ vor den blau-weiß Mal-Wand-Skulpturen von Damaris Kerkhoff, der Trägerin des Werner-Deutsch-Preises. Exakt die Bodenskulptur von  Annette Piscantor mit zwei archaischen Idolen, die letztlich aber, so Figner, ihre Fußabdrücke sein sollen. Miyuki Okuyama berichtet still distanziert in schwarz-weiß von den Menschen, die die Fukushima-Katastrophe  getroffen hat. Monika Buchens verspüre derzeit einen besonderen Drang, kreativ zu sein und über ihren sorgfältig vorbereiteten Malgrund mit spontanem Strich zu malen, sagt sie. Gerd Borkelmann wiederum zeigt zwölf Collagen aus Fundmaterialien. Dazu gibt es auch eine zehner Auflage (240 Euro/Stück).

Zur Ausstellung erscheint ein kostenfreies Booklet.

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