Der Künstler Pierre Theunissen Ein Künstlerleben wie ein Roman

Kleve · Marion Tauschwitz hat das Leben des 1931 in Keeken geborenen Bildhauers Pierre Theunissen aufgeschrieben. Sie erzählt von roten Zweisitzern, von Picasso und Max Ernst und dem kompromisslosen Weg des Künstlers aus Kleve.

 Pierre Theunissen in seinem Atelier in Le Tignet an der Cote d’Azur.

Pierre Theunissen in seinem Atelier in Le Tignet an der Cote d’Azur.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Karg und kalt die Wände, Draht hängt in Schlingen an einem Nagel, zwei weiße Aktfiguren stehen auf dem Tisch, daneben liegen ein Beitel, Meißel, der runde Hammer des Bildhauers. Hinter dem Tisch steht der Künstler: Baskenmütze, dunkler Pullover, ein junges Gesicht. Er hält die filterlose Zigarette lässig zwischen Zeigefinger und Daumen: Pierre Theunissen in seiner Studentenbude in Düsseldorf, wo er an der Kunstakademie Bildhauerei studierte. Arm, aber voller Tatendrang. Das Talent war erkannt – von seinen Förderern in Kleve, von seinem Professor in Düsseldorf. Nur sein Vater verweigerte jedwege Unterstützung des jungen Talents.

Marion Tauschwitz hat das Leben des 1931 in Keeken geborenen und 2021 bei Grasse in Frankreich verstorbenen Klever Bildhauers aufgeschrieben. Das Bild ist der Schutzumschlag des knapp 200 Seiten starken, spannenden Bändchens. Denn Theunissens Leben ist ein Leben wie ein Roman:  unstet, abenteuerlich und irgendwie beispielhaft für die Kraft des Aufbruchs nach Krieg und Zerstörung. Und Tauschwitz hat es auch so aufgeschrieben, kurzweilig voller Geschichten einerseits, mit vielen Zitaten von Zeitzeugen und vor allem von Theunissen selbst anderseits. Der Band erzählt die Geschichte des Mannes, der früh beschloss, Bildhauer zu werden – und das als Jugendlicher auch seinem Vater mitteilte. Als er 1945 wieder zur Schule sollte, weigerte sich der Junge, der als verträumter Spätentwickler galt. Der Vater war schockiert. Doch Theunissen setzte sich durch. Er studierte in Düsseldorf, später in Berlin, wurde von berühmten Künstlern wie Hans Hartung und Max Ernst und auch Joseph Beuys gefördert und unterstützt. Selbst Pablo Picasso soll den Weg hinauf an sein verstecktes Haus bei Grasse gefunden haben – oben über der Küste von Cannes in Le Tignet. Theunissen blieb an diesem Ort, um kompromisslos seinen Weg für seine Kunst zu gehen: aus harten Palmenholz weiche Formen zu schneiden, den Stahl zu bearbeiten, Bilder zu malen. Was Tauschwitz eindrücklich beschreibt.

Dabei hatte sich schon ganz früh der Bildhauer Alfred Sabisch mit Theunissens Vater, dem Dorfschullehrer aus Kellen, zusammengesetzt. „Der Kerl ist begabt. Du musst ihn unterstützen“, hatte der berühmte in Kalkar lebende Künstler dem Mann zugesetzt. Doch Heinrich Theunihsen blieb hart. Sein Sohn Peter bekam etwas Essensgeld, mehr nicht. Peter Theunihsen (die Schreibweise des Nachnamens änderte er später, den Vornamen, als er in Frankreich sein neues Zuhause fand) hatte das der Kunstakademie auch mitgeteilt. Deshalb waren ihm schon die Studiengebühren erlassen worden. Dennoch musste er nebenher schuften, schleppte Zementsäcke. Die Armut machte ihm auch zu schaffen, als er von Hans Hartung aufgefordert von Düsseldorf nach Berlin wechselte. Das Studium litt unter der Arbeit.

Von seinem ersten Auftrag, einem Denkmal für den Kellener Friedhof, kaufte er sich ein Auto. Einen kleinen, knallroten Maico-Zweisitzer. der sollte ihn zuerst nach Paris und zuletzt 1958 nach Frankreich bringen, als er auf Einladung Maywalds Deutschland gen Frankreich verließ. Über Maywald lernte er viele Künstlerpersönlichkeiten persönlich kennen, darunter die Künstler Yves Klein, Jean Tinguely, Arman, Pablo Picasso oder Marc Chagall, bekam Kontakt mit Galeristen und Galeristinnen. Am 22. Juni 1963 heiratete er seine Frau Jeanine (Pierette) Enaudi.

 Museum Kurhaus Kleve
PG "Wasser und Wein. Neupräsentation der Sammlung ll"
Arbeiten des Künstlers Pierre Theunissen im Aussenbereich des Museums

Museum Kurhaus Kleve PG "Wasser und Wein. Neupräsentation der Sammlung ll" Arbeiten des Künstlers Pierre Theunissen im Aussenbereich des Museums

Foto: Markus van Offern (mvo)
Eine kleine Figur aus Palmenholz und die Zeichnung Schrecken des Krieges.

Eine kleine Figur aus Palmenholz und die Zeichnung Schrecken des Krieges.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

In seiner deutschen Heimat war er da längst anerkannt - im öffentlichen Raum stehen seine Kunstwerke, auch in Kirchen. Später stellten Museum Schloss Moyland, Haus Koekkoek und das Kurhaus seine Werke aus. Auch in Frankreich bekam er Ausstellungen, fanden seine Arbeiten Sammler. Dann kaufte 2014 ein Kunstsammler sein Lebenswerk - alle verfügbaren Werke von 1950 bis 2014. Das Museum „Espace Pierre Theunissen“ im Hinterland der Cote d’Azur wurde im Sommer 2016 eröffnet. In dem Jahr, als eine Hirnblutung Theunissen ans Bett fesselte. Zwar kämpfte sich der Künstler wieder ins Leben zurück – aber es sollte ihm nicht mehr gelingen, nochmals zum Palmenholz zu greifen. Er starb 2021.

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