Konzert im Forstgarten Kriegssonaten im Klaviersommer

Kleve · Wo Konzertveranstalter andernorts aufwändige Musikvermittlungsarbeit betreiben, geschieht sie im Forstgarten wie von selbst. Der reich tätowierte Zuhörer im grünen Zylinder, der sich mit Bierflasche und Zigarette genau vor der Bühne niederließ, war jedenfalls kein typischer Klassikhörer – und doch sichtlich berührt von der Klaviermusik.

Mit Ludwig van Beethovens berühmter „Mondscheinsonate“ eröffnete Solist Vitaly Samoshko das dritte Konzert des Klevischen Klaviersommers. Der 1973 geborene Ukrainer und Gewinner des renommierten Königin-Elisabeth-Wettbewerbs in Brüssel spielte das Werk klar und geradlinig, doch mit großem Ausdruck. Ganz bei sich selbst angekommen schien Samoshko in der Ballade f-Moll op. 52 von Frédéric Chopin, die zu Beginn große Ruhe ausstrahlt, sich aber zwischendurch ins Hochdramatische steigert. Sinnlich und zart gestaltete der Pianist auch vier Etüden von Alexander Skriabin, deren sphärische, impressionistische Stimmung er großartig einfing. Immer wieder schuf er aufregende Momente des Stillstands, ließ die Musik fast bis ins Nichts verhauchen.

Ein Donnerschlag dagegen Sergej Prokofjews Sonate Nr. 7, eine der drei sogenannten „Kriegssonaten“, die eine radikale und kompromisslose Tonsprache auszeichnet. Zu dem Stück mit dem Beinamen „Stalingrad“ existieren – ähnlich wie zu vielen Werken Schostakowitschs – verschiedene Deutungen, die in der Musik versteckte Kritik am Sowjetregime zu erkennen glauben. Ob von Prokofjew intendiert oder nicht, man spürt eine große Zerrissenheit, in den Ecksätzen eine geradezu brutale Schroffheit. Unheimlich und beklemmend dagegen der zweite Satz, nicht zuletzt durch ein Zitat des Schumann-Liedes „Wehmut“, das durch die düsteren Klänge hindurchschimmert.

Samoshko manövrierte sich virtuos und mit großer Souveränität durch das schwierige Werk. Er schenkte seinen Zuhörern noch zwei versöhnliche Zugaben, und mit Chopins wunderbar schlichtem Nocturne cis-Moll im Ohr verließ man den Forstgarten.

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