Aufführung im XOX-Theater Vom Leben und Sterben und Lachen

Kleve · Mit einer gelungenen Aufführung von Magnus Vattrodts „Ein großer Aufbruch“ begeisterte das XOX-Ensemble. Überzeugend vermittelten die Darsteller die ernsten aber auch heiteren Seiten des Sterbens.

 „Ein großer Aufbruch“: Das Klever XOX-Theater begeisterte das Publikum mit einer tollen Aufführung.

„Ein großer Aufbruch“: Das Klever XOX-Theater begeisterte das Publikum mit einer tollen Aufführung.

Foto: Markus van Offern (mvo)

Ein Stück über das Sterben muss nicht zwingend schwermütig, es kann auch gleichermaßen ernst, berührend und voll erlösendem Humor sein. Das bewiesen die Darsteller des XOX-Theaters unter der Regie von Wolfgang Paterok bei ihrer dritten Aufführung der Bühnenfassung des preisgekrönten Fernsehfilms „Ein großer Aufbruch“ von Magnus Vattrodt. Im Mittelpunkt steht Holm, ein Mann, der sein Leben in vollen Zügen genossen hat, sich nun aber mit der Realität einer tödlichen Krankheit konfrontiert sieht. Aus Angst vor dem langsamen Sterben beschließt er, in der Schweiz Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen und sein Leben selbstbestimmt zu beenden.

Am Vorabend seiner Abreise lädt er die wichtigsten Menschen seines Lebens zu einem Abendessen ein, um sich von ihnen zu verabschieden. Er plant ein harmonisches Zusammensein, doch es kommt anders. Fast alle Eingeladenen wissen zunächst nichts von Holms gesundheitlicher Lage, fallen dann aus allen Wolken, und jeder reagiert anders. Womit Holm nicht gerechnet hat: alle unbewältigten Konflikte seines Lebens kommen auf den Tisch. Seine beiden Töchter, Marie und Charlotte, bombardieren ihn mit heftigen Emotionen, auch Vorwürfen.

Seine Exfrau, die Medizinerin Ella, weiß zwar Bescheid, trägt aber auch viele Altlasten mit in die Abendgesellschaft, die einen turbulenten dramatischen Verlauf nimmt. Dafür sorgt auch Holms Beziehung zum Ehepaar Adrian und Katharina. Seine Affäre mit Katharina fliegt auf, seine finanzielle Abhängigkeit von Adrian wird offenbar. Holm erkennt, dass er bei seinem Plan nur an sich selbst gedacht hat. Deutlich zeigt die Geschichte auch, dass Sterbehilfe als Ausweg mitnichten einfach ist. Schließlich entscheidet Holm sich, einen natürlichen Tod zu sterben und die Fürsorge seiner Töchter anzunehmen.

Alle sieben Schauspieler waren spürbar ganz und gar in ihre jeweiligen Rollen geschlüpft, beherrschten vollkommen natürlich das Beziehungsgeflecht der dargestellten Figuren.

Was sofort funktionierte, waren die vielen Gags, die der Autor eingebaut hatte, um dem Thema die Schwere und das Tabu zu nehmen. Die Zuschauer lachten in diesen Momenten, und es war erlösend. Manfred Küper als Freund Adrian demonstrierte, dass zu einem gelungenen Witz auch immer das richtige Timing gehört. „Ich habe Pflaumen karamellisiert und Kürbis dazu getan, das musst du probieren“, mit diesem Satz kommt er regelmäßig in hochdramatischen Momenten.

Klaus Gerritzen war Holm mit allen Fasern. Eindrucksvoll, wie er Holms Angst vor dem Sterben schildert, überzeugend, wie ihm der Plan, in die Schweiz zu fahren, wegbricht und er sich den Konflikten seines Lebens stellt. Brigitte van Gemmeren ist Katharina, die Holm heimlich liebt und sichtlich in höchster Angst um ihn ist.

 Mirjam Kirschberger verkörpert Holms Tochter Marie, die eine erfolgreiche Patentanwältin geworden ist. Voller bitterer Vorwürfe gegen den Vater tritt sie auf, geradezu explosionsartig hageln ihre Vorhaltungen auch gegen Vater und Mutter, sie hätten egoistisch gelebt. „Du hast uns nicht geliebt, du hast nur die Vorstellung von Liebe geliebt“, schleudert sie Holm entgegen. „Und jetzt sollen wir mit dir letztes Abendmahl feiern“, kommentiert sie die Situation.

Die romantische und chaotische Tochter Charlotte wird dargestellt von Anke Kühl. Sie zeigt eine Vielzahl von Emotionen, weint um den Vater, ist voll Liebe, trägt aber auch das Geheimnis ihrer Liebschaft mit Adrian. Der Kanzleichef Heiko ist Maries Freund, dargestellt von Johannes Himmes. „Ich bin die Randfigur“, sagt er in einer Szene. Aber er macht in den passenden Augenblicken die Bemerkungen, die die Zuschauer zum Lachen bringen.

Pateroks subtiler Führung ist es zu verdanken, dass kein Lacher unpassend provoziert wird, dass es ernst bleibt, wo es so sein muss. Ein Beispiel ist der ganz starke Moment von Johannes Himmes als Heiko, der von seiner verstorbenen Ehefrau berichtet, die ebenfalls unheilbar krank wie Holm in die Schweiz reisen wollte. Und warum sie sich dagegen entschied, und warum Sterbehilfe „als Option“ ein wesentlicher Bestandteil des natürlichen Sterbeprozesses sein kann. Nebenbei ist im Dialogtext viel Information über die Sterbehilfe, und wie viel Mut es braucht, diesen Weg zu gehen.

Für dieses Hintergrundwissen sorgte Tina von Gimborn-Abbing als Holms geschiedene Frau Ella. Drogenabhängigkeit, Affären, der Beginn eines neuen Lebens als Ärztin, und das Bewusstsein, als Mutter von Charlotte und Marie versagt zu haben – das alles vermittelte die Schauspielerin glaubhaft.

Die Zuschauer waren spürbar berührt, langer Applaus.

Info: „Ein großer Aufbruch“ ist noch zweimal zu sehen. Am 11. November um 17 Uhr, und am 17. November um 20 Uhr. Karten unter 02821 78755 oder xox-theater@web.de

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