Tatlins wundersam geschwungener Turm ist eine Ikone – auch wenn er nur als großes Modell gebaut wurde: Er steht für die frühe sowjetische Avantgarde und wäre ein geradezu monströses Unterfangen gewesen. Wäre der schräge russische „Eiffelturm“ jemals gebaut worden, sollte er 400 Meter hoch sein, es sollte gläserne Aufzüge geben, Tagungsräume. Er sollte ein Monument für die Internationale sein. Nur – es wurde nichts draus, es blieb ein Architektur-Traum, den jeder irgendwie kennt. Im Projektraum-Bahnhof25 ist der riesige Turm auf einer kleinen quadratischen Zeichnung festgehalten: Auf zwei Glasscheiben hat die japanische Künstlerin Satomi Edo die Linien und die Schwünge des Turms gezogen. Wobei die Linien, die den Turm nachzeichnen, keine Linien sind, sondern Schrift. Und die hat die Künstlerin auf zwei Glasscheiben gesetzt, die in einen etwa zweifingerdicken Rahmen gespannt sind und damit die Zeichnung räumlich machen. Und, blickt man gerade durch die beiden Scheiben des Objekts, direkt auf die darunterliegende Wand gesetzt zu sein scheinen. Hochspannend ergibt sich so im hinteren Saal vom Projektraum-Bahnhof25 eine Galerie aus Architektur-Träumen und (Alp-)Träumen (es ist auch die Linie des Kraftwerks Fukushima dabei). Alle sind sie in einer feinen kalligrafischen Schriftlinie gezeichnet – jeweils in den Schriftzeichen, die in dem Land genutzt werden, aus denen der Entwurf oder das Bauwerk entstammt.