RP-Serie Orgeln im Klever Land Orgel im mittelalterlichen Gehäuse

Kalkar · Zwischen 1490 und 1520 datiert der älteste Teil der Wisseler Orgel. Sie war damals über eine Wendeltreppe von der ehemaligen, vor der Nordtür gelegenen Vorhalle aus zu erreichen. Erst 1836 zog sie auf die neue Orgelempore.

 Heute steht die Schleifladen-Orgel auf einer Empore über dem Eingang, deutlich geteilt mit zwei Gehäuseteilen rechts und links des Westfensters.

Heute steht die Schleifladen-Orgel auf einer Empore über dem Eingang, deutlich geteilt mit zwei Gehäuseteilen rechts und links des Westfensters.

Die romanische Stifts-Basilika St. Clemens in Wissel ist aus vielerlei Gründen einen Besuch wert: So birgt sie nicht nur Zeugnisse einer über achthundertjährigen Geschichte, unter anderem als Stiftskirche der Klever Grafen mit einem spätromanischen Taufbecken aus dem 12. Jahrhundert, sondern auch eine Orgel mit einem ungefähr 500 Jahre alten Gehäuseteil. Und dieses gilt als das vermeintlich älteste Orgelgehäuse im gesamten Rheinland.

Heute steht die Schleifladen-Orgel auf einer Empore über dem Eingang, deutlich geteilt mit zwei Gehäuseteilen rechts und links des Westfensters. Der nördliche der beiden Eichenholz-Teile war ursprünglich allein mitsamt der damaligen Orgel auf einem Orgelfuß als „Schwalbennestorgel“ an der Nordwand des Kirchenschiffs angebracht; dieser Teil datiert auf einen Zeitraum zwischen 1490 und 1520. Die Orgel war dort über eine Wendeltreppe von der ehemaligen, vor der Nordtür gelegenen Vorhalle aus zu erreichen. Erst der Orgelbauer Wilhelm Rütter (Kevelaer) versetzte 1836 die Orgel auf die damals neu errichtete und bis heute vorhandene Orgelempore. Für diesen Standort baute Rütter 1876 dann ein komplett neues Instrument und konzipierte einiges um: So fertige er eine Kopie des Originalgehäuses an und es entstanden letztlich zwei Prospektteile, die sich nur geringfügig und auf genauen Blick in den Größenmaßen unterscheiden. Im heutigen linken, nachgebauten Teil ist seitdem der Spieltisch mit Manualwerk untergebracht, im rechten, gotischen Teil sind oben Pedalwerk, unten Gebläse und Balg. Links ist so der Trakturweg, also der Weg von den Tasten über das Übertragungssystem zu den Pfeifen, möglichst kurz, um das Spiel sensibel von der Taste aus zu steuern. Unter dem Emporenboden verläuft ein Trakturschacht hinüber und das Pedal darf – da es mit den Füßen betätigt wird – ruhig etwas schwerer und über einen längeren Weg zu bedienen sein.

 Der Spieltisch mit Manualwerk wurde 1876 nach spätmittelalterlichem Vorbild gefertigt.

Der Spieltisch mit Manualwerk wurde 1876 nach spätmittelalterlichem Vorbild gefertigt.

Das mittig über dem oberen Manual angebrachte Firmenschild belegt Orgelbauer Rütter und das Baujahr 1876. Die Orgel hat 19 Register auf zwei Manualen, die Disposition ist typisch „Romantik“: Klangvolle Grundstimmen im 8‘-Bereich, wie Flöten sowie Streicher, und jedes Werk hat einen eigenen Prinzipal. Charakteristisch sind das reich besetzte Hauptwerk mit seinem tiefen 16‘-Bordun und das schmal besetzte Unterwerk mit wenigen Registern, als Nebenmanual gedacht. Der Fialenschmuck der Gehäuse wurde von dem Bildhauer Edmund Renard (der Ältere) ausgeführt und ging in den 1950er Jahren verloren; allerdings zeugt eine Reiseskizze von A. G. Hill aus dem Jahr 1883 in einem in London erschienenen Reiseband über europäische Orgeln davon. 1983 wurde die Orgel das erste Mal von der Orgelbaufirma Breil (Dorsten) restauriert, was ein kleines, schlichtes und handschriftlich beschriftetes Holzschildchen rechts am Spieltisch darlegt. Von der wechselvollen Geschichte der Orgel zeugen auch die unterschiedlichen Schriftarten der Registerknöpfe: Die meisten in Frakturschrift (sowohl Druck- als auch Schreibschrift), das Salicional 8‘ in moderner serifenloser Satzschrift, die Tremolo-Beschriftung in moderner Serifenschrift. Die Orgel wird regelmäßig fachmännisch gestimmt und erklingt in allen Samstags- und Montagsmessen und allen anderen Anlässen des Kirchenlebens.

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