Kunst-Kalender Gelassener Rabe auf Corona-Welt

Goch · Der Kalender der Gocher artconnection ist fertig. Er zeigt wieder Schnitte oder Stiche von zwölf Künstlern aus der Region zu verschiedenen Themen. Der Kalender bietet originale Kunst für den kleinen Geldbeutel.

 Kerstin Wichelhaus schnitt den weisen Raben auf dem runden Knäuel für den Mai.

Kerstin Wichelhaus schnitt den weisen Raben auf dem runden Knäuel für den Mai.

Foto: Matthias Grass

Ludwig van ist poppig. Leuchtfarbe unterstreicht das markante  Beethoven-Porträt, das Cyrus Overbeck zur artconnection-Druckwerkstatt nach Goch geliefert hat. Knallbunte Linien versprühen die Augen des  Musik-Genies, dessen 250. Geburtstag 2020 gefeiert wurde, in alle Richtungen. Im neuen Kalender der artconnection Goch um den Drucker Konrad Stüven ist das farbenfroh-markante Blatt der Oktober. Der Oktober im Jahr eins nach dem Beethoven-Jubiläum genial in Szene gesetzt: Das Genie braucht keinen Jubiläums-Anlass, um Funken zu versprühen.

Der Kalender der artconnection aus Goch ist passend zum Fest fertig geworden, darf allerdings wegen des Lockdowns nur telefonisch erworben werden. Man kann ihn unter anderem bei der Buchhandlung Hintzen in Kleve bestellen und corona-gerecht abholen oder direkt bei artconnection in Goch oder im Atelier der Künstlerin Christel Verhalen in Kalkar. Als Sammlerobjekt hat diese Edition von zwölf Druckgraphiken in limitierter Auflage, handsigniert und nummeriert, aber auch viele Abonnementen, die das Exemplar wegen der handwerklichen Qualität und der Kunst sammeln. Der Kalender  ist gebunden, in ein Doppel-Passepartout gelegt und kostet 80 Euro. Das ist auf das einzelne Kunstwerk umgerechnet sehr günstig. „Wir wollten damit ja von Anfang an gute Kunst für den kleinen Geldbeutel ermöglichen“, sagt Stüven. Die Künstler bekommen als „Honorar“ einen Satz Drucke, der Erlös deckt die Herstellung, rechnet Stüven vor.

Die künstlerische Spannbreite der Blätter ist groß: Vom farbenfrohen, poppigen Beethoven Overbecks bis zu den minimalistischen Ecken von Günther Zins, von der fein gezeichneten, schlummernden Katze über hebräischem Buchstaben von Eva Sand bis zu Wilfried Porwol „Hund“ im Street-Art-Stil. Porwols Blatt hat auch eine politische Vorgeschichte: Der Künstler hat statt des tradtionellen, aufwendigen Holzstichs das Genre gewechselt und einen Linolschnitt geliefert,  der aus diversen Platten besteht und seine Auseinandersetzung mit dem Kalkarer Kriegerdenkmal thematisiert. Es zeigt im Street-Art-Format à la Banksy jenen Hund, der ein Denkmal  anpinkelt und den Porwol in Kalkar auf das umstrittene Kriegerdenkmal gesprüht hatte. Im Kalender als Linoldruck für den Monat Juli vor einem imaginären Denkmal. Porwol hat jedes der über 200 Blätter mit Farbe nachbearbeitet: Das Uringelb, das der Hund mit gehobener Hinterpfote gegen den Denkmalsockel strullt, wurde von Hand mit Pinsel nachträglich aufgemalt, erklärt Stüven.

 Hans Brögs Blatt vom großen Haus ziert den November und wurde noch während des Druckvorgangs im Kopierer bearbeitet.

Hans Brögs Blatt vom großen Haus ziert den November und wurde noch während des Druckvorgangs im Kopierer bearbeitet.

Foto: Matthias Grass

Der in Viersen lebende Hans Brög experimentiert mit technischem Druckwerk wie Kopierer oder Fax-Gerät: Herausgekommen ist ein feines verwischtes Bild eines Gebäudes mit spitzen Dächern. Christel Verhalen aus Kalkar hat sich für ihren Monat für das Motiv eines dicken alten Baumes entschieden, an dem eine Leiter gelehnt ist. Prof. Barbara Wichelhaus stellt zwei Gestalten nebeneinander, die wie Kapuzenmenschen ohne Gesicht wirken. „Das passt in die Zeit, wenn man hinter den Corona-Masken keinen erkennen kann und den Kontakt – zu Recht – meiden muss“, sagt Stüven.

 Elisabeth Schink vom Projektraum-Bahnhof25 schuf die stillen Blätter für den Februar in schwarz und weiß.

Elisabeth Schink vom Projektraum-Bahnhof25 schuf die stillen Blätter für den Februar in schwarz und weiß.

Foto: Matthias Grass

In diesem Jahr blieben für den Drucker die direkten Künstlerkontakte meist aus. Elisabeth Schink war kurz da, mit gebotenem Abstand und Maske kontrollierte sie den ersten Andruck, erzählt Stüven. Die Kleverin Schink vom Kunstverein projektraum-bahnhof25 hat sich für eine stille Komposition mit drei Blättern oder Samenkörnern entschieden. Mit anderen Künstlern habe man die Druckstöcke hin- und hergeschickt, die Drucke auf Distanz besprochen. „Es geht, aber der persönliche Austausch fehlt doch. Da freue ich mich auf kommendes Jahr ohne Corona“, sagt Stüven.

Den Auftakt im Januar macht Klaus Franken mit einem Seemannsgedicht: Lyrik wie Klabund als Kunst für die Wand. Der Bildhauer Günther Zins setzt seine Serie von geometrischen Formen auf flirrendem Stahlfarben fort. In diesem Jahr sind es vier Ecken auf der Fläche. Auch Arno Beijks Serie geht weiter: Der Blick vom Wasser auf eine Waldsilhouette im August 2021 ist eine warme dunkle Sommernacht. Alois Cremers hat eine Pillenfolie zum Druckwerk gemacht, durch die wie ein EEG seine Signatur haut. Weise und gelassen sitzt der Rabe von Kerstin Wichelhaus im Mai auf einem runden Durcheinander. „Es könnte auch die Erde sein“, sagt Stüven.

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