Museum Kleve 50 Jahre Fotografie im Kurhaus

Kleve · Weil wegen der Pandemie ein Gang durch die Ausstellung „Freischwimmer– Fotografie der Sammlung Viehof und des Museums Kurhaus Kleve“ nicht möglich ist, empfiehlt sich der vom Freundeskreis herausgegebene Katalog.

 Valentina Vlasic (rechts) und Annika Forjahn vor Fotografien von Josephine Meckseper.

Valentina Vlasic (rechts) und Annika Forjahn vor Fotografien von Josephine Meckseper.

Foto: Matthias Grass

Im Museum Kurhaus Kleve ist ein Querschnitt durch 50 Jahre Fotokunst versammelt. Es ist fast ausschließlich Fotokunst, die einen Bezug zum Rheinland hat. „Freischwimmer“ heißt sie Ausstellung mit Werken aus der rheinischen Sammlung Viehof und der des Museums Kurhaus. Das Kurhaus sammelt seit Jahrzehnten auch Fotografie. Darunter die berühmten Protagonisten der Düsseldorfer Schule Gursky, Ruff und Struth, die sich Kleve heute nicht mehr leisten könnte. Darunter die fast dokumentarischen Aufnahmen Lothar Baumgartens von brasilianischen Yanomamis. Deshalb gab das Land gerne aus dem Portigon-Bestand auch ein Bild von Wolfgang Tillmans (Wasser und Wein) als Dauerleihgabe dazu. Tillmans gab der Ausstellung schließlich den Titel, denn zum Bild aus der Klever Sammlung das Rotweinglas mit Wasserglas an Salat zeigt, steht das genial abstrakte Tillmans-Foto aus der Sammlung Viehof namens „Freischwimmer“.

Es ist eine sehenswerte Ausstellung, die aber derzeit einen großen Nachteil hat: Man kann sie wegen des Corona-Lockdowns nicht sehen. Da empfiehlt sich der Katalog zur Ausstellung, den die Kuratorinnen der Ausstellung Valentina Vlasic (Kurhaus) und Annika Forjahn (Viehof) konzipiert haben und der vom Kurhaus-Designer Ingo Offremanns (Hamburg)  entworfen wurde. Und weil das 170-Seiten-Buch vom Schwimmen erzählt, ist es in einen schützende Plastik-Schutzumschlag gepackt. Den Titel ziert ein Foto von Cindy Sherman. Das ist eine Selbstinszenierung der US-Amerikanerin, deren Arbeiten bei einem Blick auf die zurückliegenden 50 Jahre Fotografie nicht fehlen darf. Und auch hier ist sie, ganz „dem Narzissmus unserer Zeit entsprechend“, so Valentina Vlasic, das Hauptobjekt. Sherman aus der Sammlung Viehof steht also vorne, das fast wandfüllende Sehnsuchtsbild für Reisende der beiden Schweizer Fischli & Weiß, zwei Jumbo-Jets der British Airlines, ziert die Rückseite. Es stammt aus der Sammlung des Kurhauses.

Die Texte von Vlasic und Forjahn beschreiben die Bilder und ordnen die Künstler ein. Sie stellen Gegensätze heraus, wie zwischen der „charismatischen Sieverding“ (so Vlasic) und den Porträts Ruffs, die wie Passbilder fotografiert sind, aber auf fast zwei Meter hochgezogen eben eine enorme Wirkung haben. Aber eben doch ganz anders als die Wucht der Bild-Inszenierungen von Sieverding. Eine Wucht, die im Katalog allerdings nur wirkt, wenn man die Originale gesehen hat. Das trifft auf viele der Fotografen zu, die oft mit wandfüllenden Formaten ihre ganz eigene Bildaussage haben. Wie so oft ersetzt der Katalog also nicht den Gang in die Ausstellung. Andererseits finden sich in dem Band so viele Positionen, dass er eine guten Überblick über 50 Jahre Fotografie gibt.

Und auch die gegensätzlichen Auffassungen von Fotografie aufzeigt: „Während sich Beat Streuli mit dem Teleobjektiv im urbanen Getümmel unbemerkt auf die Jagd begibt, porträtieren Thomas Ruff und Thomas Struth Einzelpersonen und Familien in direkter Konfrontation mit der Kamera  und teils detaillierten Regieanweisungen“, beschreibt Annika Forjahn die Unterschiede zwischen den faszinierend statischen Bildern der Düsseldorfer und der Lebendigkeit in den Momentaufnahmen des Schweizers in denen auch stets ein Moment des Voyeurismus mitschwingt (so Forjahn). Zu regelrechten Charakterstudien werden die Familienaufstellungen Struths.

Der Band endet mit einem Gespräch zwischen Harald Kunde und Eugen Viehof mit einem letzten Schwenk auf die Corona-Pandemie. Die mache nicht nur den entspannten Kunstgenuß im Museum derzeit unmöglich, sondern könne auch zu einer Zäsur werden, die das Denken und Wahrnehmen, auch das Sammeln von Kunst grundsätzlich verändern könnte, sagt Kunde.

Viehof hingegen versucht einen optmistischen Blick für die Zeit nach der Pandemie: Auch wenn derzeit das kulturelle Leben nicht durchstarten könne, was er sich sehnlichst wünsche, müsse es ja nicht wieder in „Noch mehr“, „Noch schneller“ oder „Noch teurer“ wie vor der Krise enden: „Ich glaube an eine Veränderung, die sehr positiv sein könnte“, sagt Eugen Viehof und beschließt damit den Band. Und schließt damit zugleich den Kreis, den Kunde im Vorwort begonnen hatte: „Dieses gemeinsame (Ausstellungs)-Projekt versteht sich auch als gelebte Zuversicht“ in Pandemie-Zeiten.

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