Familie aus Goch soll abgeschoben werden Ripsi versteht die Welt nicht mehr

Goch · Eine Familie aus Armenien muss mit ihrer Abschiebung rechnen, denn formal haben Ripsi Tonoyan, ihr Lebensgefährte Hayk und der gemeinsame Sohn Manuel (5) kein Bleiberecht. Seit sechs Jahren leben sie in Goch.

 Ripsi Tonoyan mit ihren Urkunden, Diplomen und amtlichen Schreiben. Selbst den Einbürgerungstest hat sie mühelos bestanden. Sie ist bestens integriert, findet die junge Frau aus Armenien.

Ripsi Tonoyan mit ihren Urkunden, Diplomen und amtlichen Schreiben. Selbst den Einbürgerungstest hat sie mühelos bestanden. Sie ist bestens integriert, findet die junge Frau aus Armenien.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Russisches Gebäck, holländische Deko-Tulpen und ordentliche deutsche Gardinen in den Fenstern. Mustergültige Ordnung und Sauberkeit herrscht in den Räumen, mit einem Griff hat Hripsime Tonoyan ihre Unterlagen zur Hand. Die 31 Jahre alte Frau hat für sich und ihre kleine Familie in mehr als sechs Jahren in Goch ein gemütliches Heim geschaffen, aber sicher fühlen kann sie sich dort nicht. Denn vor wenigen Tagen standen morgens um acht Uhr zwei Fremde vor der Tür und teilten ihr mit, dass sie, ihr Mann und der kleine Sohn abgeschoben werden sollen.

Dass ihr Asylantrag mehrfach abgelehnt wurde, weiß Ripsi, wie sie von allen genannt wird. „Aber die Härtefallkommission, die mein Anwalt anschrieb, hat unseren Fall geprüft und empfohlen, dass wir bleiben dürfen.“ Die Ausländerbehörde beim Kreis Kleve hat anders entschieden. Eben nach Recht und Gesetz.

 Manuel (5) spielt bei Concordia Fußball und wird bald eingeschult.

Manuel (5) spielt bei Concordia Fußball und wird bald eingeschult.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Ruth Keuken, die Sprecherin des Kreises, kennt Fälle von Menschen, die schon sechs und mehr Jahre im Kreis leben und dennoch abgeschoben werden. „Wenn alle Rechtsmittel ausgeschöpft werden, was sich oft über mehrere Jahre hin zieht, und sich abschließend herausstellt, dass Ausreisepflicht besteht, können die Betroffenen auch noch nach einer Reihe von Jahren abgeschoben werden.“ Wenn nämlich das Asylverfahren negativ abgeschlossen wurde und damit kein Aufenthaltsrecht in Deutschland bestehe, würden „aufenthaltsbeendende Maßnahmen vollzogen“. Dass die Beamten erst einmal wieder unverrichteter Dinge das Haus verließen, lag daran, dass Ripsi ihnen mehrere Gegenargumente lieferte: „Ich mache gerade ein Ausbildung, die Härtefallkommission gibt uns recht, mein Mann hat eine feste Stelle.“ Dazu freut sich Söhnchen Manuel auf seine Einschulung an der Liebfrauenschule, und er will weiter mit den Concordia-Bambinis Fußball spielen. Zwar gilt Armenien als sicheres Land, aber ihr Mann habe damals die Opposition unterstützt und Ärger bekommen. Sie selbst hatte zwar einen Magister-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften, aber keine Idee, was sie damit zu Hause tun solle. „In Deutschland hingegen kann man etwas aus seinem Leben machen. Ich war da früher schon als Au Pair und dachte, dort können wir uns etwas aufbauen.“ Als die Härtefallkommission im Mai 2018 riet, die Familie dauerhaft bleiben zu lassen, wurde die Duldung vom Kreis erstmals auf ein halbes Jahr festgesetzt. „Wir dachten, endlich wird alles gut. Ich hatte meine B1-Sprachprüfung geschafft, mein Mann durfte arbeiten, alles schien positiv.“ Schon weil sie eine Ausbildung zur Kinderpflegerin begonnen habe, ging sie davon aus, dass eine Abschiebung kein Thema mehr sei. Aber auch das sieht der Kreis anders als ihr Anwalt. Man dürfe durchaus auch eine Ausbildung machen, wenn man schon eine andere Ausbildung (in ihrem Fall das Studium in Eriwan) aufzuweisen habe.

Hilde Fielenbach, die sich schon seit Jahrzehnten in Goch um Asylbewerber kümmert, ist empört. „Ich kenne die Rechtslage, aber ich weiß auch, was sich gehört. Und Leute, die schon sechs, sieben Jahre bei uns leben, ohne gegen Regeln verstoßen zu haben, die schiebt man nicht ab. Das tut man einfach nicht.“ Zumal Ripsi ihr mit ihren guten Sprachkenntnisse immer gerne helfe, wenn sie mit Russen oder Armeniern zu tun habe.

Wenn die Beamten wiederkommen, um das Recht durchzusetzen, wird die Familie ihre neuen Möbel, Spielsachen und Kleidung zurücklassen müssen. Eine ganze Schublade voller Vorschul-Bücher und die Fußball-Medaillen sind der ganze Stolz des fünfjährigen Manuel. Übrigens steht ein weiterer Termin an, auf den sich das Paar eigentlich freuen dürfen sollte: die Eheschließung. Zu heiraten, das hätten Ripsi und Hayk nämlich noch nicht geschafft. Ohnehin hätten sie sich ständig um die Anerkennung von Zeugnissen und Diplomen kümmern müssen, da hätten sie die Anmeldung beim Standesamt immer aufgeschoben. „Aber das werden wir jetzt ganz schnell nachholen. Sonst wird auch noch die Familie auseinandergerissen“, fürchtet die 31-Jährige.

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